[dieStandard.at]

derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst
Newsroom | Politik | Investor | Webstandard | Sport | Panorama | Etat | Kultur | Wissenschaft

29.04.2003 19:24

Vorhang gelüftet, Ostkunst weg!
Neue Kunst aus der Hauptstadt der Slowakei - und umgekehrt



Wenn, wie im Fall Bratislava, eine "Stadt in Sicht" ist, bieten sich "Begegnungen auf höchster Ebene" an. Höchste Zeit also, auch den Wienern neue Kunst aus der Hauptstadt der Slowakei zu zeigen - und umgekehrt der dortigen Szene, wie hier alles so funktioniert.




Markus Mittringer


Wien - Früher war alles zumindest anders: Es gab stachelbewehrte Zäune und Mauern, die legal zu durchbrechen man sich zwar von wildfremden Zöllnern erniedrigen lassen musste, dafür aber erwartete einen hinter dem Vorhang dann echte Ostkunst. Gerade einmal so weit weg von Wien wie St. Pölten - und noch bis vor einigen Jahren kaum weniger exotisch - liegt das kleine Bratislava.

Seit der 1989er-Wende schon recht weltoffen, seit der Unabhängigkeit der Slowakei - 1993 - Hauptstadt und demnächst schon Teil der Union, bereitet sich die Nachbarstadt geflissentlich vor, den Vorhang endgültig zu lüften. Und also machen auch die Künstler neue Kunst.

Bestens informiert halten sie sich gar nicht erst damit auf, Westkunst zu fertigen. Sie steigen gleich mit Weltkunst ein. Gilt es doch, fortan global groß rauszukommen, Begehren zu wecken und damit Gewinne einzufahren. Aufgabe ist es also, möglichst originell zu sein, ohne dabei die oft nur tagesaktuellen Regeln des neuen Marktes zu verletzen. Kunst kommt jetzt auch von Kalkül. Wiedererkennungswert ist gefragt, mediale Präsenz, das richtige Timing. Alles sehr schwierig, weshalb es am neuen Kunstmarkt ja auch so viele Vermittler gibt.

Bratislava hat mittlerweile eine Fuzo mit edlen Boutiquen, und der Wiener fährt nicht mehr so gerne hin, weil dort auch die Salami schon zu Weltmarktpreisen aufgeschnitten wird. Allein, es mangelt noch an Galerien, die Kunstvereine stehen noch im Jenseits des Verbunds, und die Museen sind noch so shop- wie barlos.

Jetzt hilft der Nachbar: "Stadt in Sicht" hat er festgestellt, sofort eine Szene vermutet und Bratislavas "neue Kunst" nach Wien geholt. So etwas muss natürlich inszeniert werden: Keine Schau kommt heute ohne Architekten aus. Umso besser, wenn die jung sind und hip und im Team auch den öffentlichen Raum bearbeiten. Und also zeigen die heimischen Alles-wird-gut-Architekten, wie man Ausstellungen richtig cool macht: als "Plattform" mit Café Bratislava, Leseecke, Videovorführung, DJs und Livebildschaltung in die Slowakei - ganz so, wie man das von der letzten documenta in Erinnerung behalten hat.

Kunstwerke gibt es aber auch zu sehen. Und damit das mit dem Vermitteln auf Weltkunstniveau gleich richtig klappt, hat man auserwählten slowakischen Künstlern auch gleich österreichische Galeristen als Partner beigestellt: Die dürfen dann mit den Führungsdamen der Fachhändler Hohenlohe & Kalb, Grita Insam, Ursula Krinzinger, Krobath-Wimmer, Nächst St. Stephan und Steinek "die Möglichkeit von temporären Arbeiten im Obergeschoß des Wiener Donauturmes ausloten". Die Arbeiten der Erwählten Marko Blazo, Erik Binder, Aneta Mona Chisa, Pavlina Fichta Cierna, Richard Fajnor, Denisa Lehocka und Boris Ondreicka dürfen sogar "autonom sein, entsprechend platziert, aber auch in situ entwickelt werden".

Ähnliches wird mit österreichischer Entwicklungshilfe im Fernsehturm von Bratislava geplant. Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny wird beide Projekte dieser so genannten "Begegnungen auf höchster Ebene" dann in symbolträchtiger Gemeinsamkeit mit seinem Kollegen aus Bratislava, Stadtrat Holczyk, eröffnen.

Die eigentliche Präsentation im Obergeschoß des Künstlerhauses ist erwartungsgemäß so, wie Gruppenausstellungen eben meist sind, deren schüttere Basis der gemeinsame Wohnsitz aller Künstler ist: beliebig und nur vorgeblich informativ. (DER STANDARD; Printausgabe, 30.04.2003)


Newsroom | Politik | Investor | Webstandard | Sport | Panorama | Etat | Kultur | Wissenschaft

© derStandard.at
2003