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Surfer durch das Inferno Amerikas

Der Verbindung von Schrift und Bild gilt schwerpunktmäßig das Interesse des Bozner Museion. Raymond Pettibon passt ideal in dieses Programm.

BOZEN. Kommentare zur Wirklichkeit an der amerikanischen Westküste sind die flapsig auf kleine Papiere hingeschriebenen Zeichnungen von Raymond Pettibon. Meist - etwa bei der vergangenen Kasseler documenta oder erst kürzlich im Kunstraum Innsbruck - pinnt er seine Blätter nach dem Zufallsprinzip direkt an die Wand.

In der Bozner Schau - seiner ersten in Italien - sind die Zeichnungen allerdings sorgsam von schmalen schwarzen Rahmen umgeben, was das Spontane, subkulturell Subversive seiner Kunst eigenartig relativiert, ihr den Stempel des kunsthistorisch Abgesicherten aufdrückt.

In das Museion hat der 46-jährige, in Kalifornien lebende Pettibon aber nicht nur 230 Zeichnungen aus den Achtziger- und Neunzigerjahren mitgebracht, sondern direkt im Bozner Museum eine riesige Wandarbeit realisiert, die im neuen Haus, mit dessen Bau noch heuer begonnen werden soll, einen Ehrenplatz bekommen wird. Sie zeigt eine riesige brechende Welle, die - umgesetzt auf Südtirol - aber auch ein Gebirge sein könnte, so der Künstler. Der kleine Surfer, der sich in halsbrecherischer Lust in den Wellen wiegt, macht allerdings deutlich, um welches Element es sich hier handelt.

Dieses ist aber auch das Element, in dem sich Raymond Pettibon heimisch fühlt. Seine meist schwarzen Tuschzeichnungen reflektieren das Lebensgefühl der kalifornischen Hippie- und Punkbewegung. Pettibon ist der Darsteller eines "amerikanischen Inferno" (Robert Storr), umfasst das Private - etwa poetische kleine Liebesbriefe - genauso wie das politisch Brisante, Religiosität ebenso wie Sexualität und Kriminalität. Pettibons Bildsprache ist plakativ, drastisch, unverblümt, sie beschreibt Ausflüge in das Triviale wie das zutiefst Philosophische.

"Alle meine Zeichnungen haben ihren Ursprung in der Lektüre", so Pettibon, der aber trotzdem nicht der Erfinder komplexer Bildgeschichten ist. Eigentlich mag er es nicht, wenn seine Blätter chronologisch oder nach Themen geordnet gehängt werden. Für die Bozner Präsentation machte er eine Ausnahme, wodurch sich schön seine formale Entwicklung nachvollziehen lässt.

Die Bildsprache der Pop-Art hat den jungen Pettibon inspiriert, aber auch die Ästhetik des Films, der Fotoreportage und ganz besonders der Comics. Was ihn von Comiczeichnern unterscheidet, ist, dass es ihm nicht um die Erfindung von Bildgeschichten, sondern um knappe, vor Metaphern strotzende Statements zum Zeitgeschehen geht. Schrift und Bild verfilzen in diesen Zeichnungen, in denen die Farbe nur eine dekorative Nebenrolle spielt, zu einer spannungsvollen Einheit.
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Museum für moderne und zeitgenössische Kunst, Sernesistraße 1, Bozen; bis 4. Mai, Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag 10 bis 20 Uhr
2003-02-03 16:34:29