Wien - Und da liest man dann, dass die Kunsthalle Wien die erste
Retrospektive des berühmten kanadischen Künstlers in Europa macht, und zerbricht
sich den Kopf und will überhaupt nicht darauf kommen, wer das denn sein könnte,
und schon gar nicht darauf, dass es der sein könnte, der es nun einmal ist: der
Robert Adrian X. Weil den überlassen wir schon lange nicht mehr den Kanadiern,
den haben wir inkorporiert. Denn einer, der schon da war, als Wien ohne Nebel
noch viel grauer war als London mit, der kann einfach keiner von den anderen
sein.
Gewohnheitsrecht: Jetzt, wo wir uns an ihn gewöhnt haben, haben wir
auch das Recht, ihm den Legionärsstatus abzuerkennen. Ja, schließ- lich ist man
mit seinen Schifferln schon 1979 am Karlsplatz in Teich gestochen, und als Grita
Insam sich noch hinter dem Pseudonym Modern-Art-Galerie versteckte, war der auch
schon da. Und wir hatten gerade gelernt, mit einem Vierteltelefon umzugehen, da
hat der schon "Telekommunikationsprojekte" durchgezogen, obwohl die Welt noch
gar kein Dorf war.
Und kaum dass man sich in Linz zu einer Ars
Electronica aufschwang, musste man diesen Beutekanadier auch schon als Vorreiter
einfach berücksichtigen. Nach Wien gebracht hat ihn die Liebe: "Ich hatte meine
jetzige Frau in London kennen gelernt, doch sie traf bereits Vorkehrungen zur
Rückkehr nach Österreich, um eine neue Stelle anzutreten, und schließlich folgte
ich ihr nach Wien - das war Anfang der 70er-Jahre womöglich noch grauer als
London. Es schien, als hätte Wien die 60er-Jahre überhaupt verpasst - oder
verschlafen -, aber das war eine seiner Attraktionen."
Pionier mit
Abstand
So schaut's aus. Endlich die Aktionisten ins Exil getrieben,
und dann kommt der. Der Robert Adrian X selbst hat nichts verschlafen, hat in
den 50er-Jahren gemalt, was es damals eben so zu malen gab, und er war dabei,
als die Canadian Pacific Railways eine der welt-ersten Computeranlagen
installiert haben. Gemeinsam mit anderen Studenten, Musikern und Literaten,
deren Qualifikation darin bestand, dass sie mit der Belegschaft des
Transportunternehmens einen Jazzclub als Stammlokal teilten, hat er dann
"Methoden zum Umgang mit dieser neuen Technik entwickelt". Und, das ist jetzt
aber ganz wichtig: "Innerhalb von sechs Monaten hatten wir ein funktionierendes
System zusammengestoppelt; und nach und nach kündigten alle von uns, weil alles
so langweilig geworden war - nun übernahmen die Büroangestellten."
Distanz! Die hat der eingenommen und dann nie wieder aufgegeben. Und
darum gilt der eben nicht als Alter Meister. Und darum folgt der Ankündigung
einer Ausstellung immer noch Spannung. Der Robert Adrian X gehört nicht nur zu
den Jüngsten des Jahrgangs 1935, der putzt mit einem "Amiga" (der junge Leser
möge sich darunter einen Computer vorstellen, der im retrospektiven Vergleich
gesehen sehr wenig kann) so eine neumodische Mehrere-Megahertz-Workstation immer
noch locker weg. Und - Kinder! - ist dabei auch noch lustig, bastelt die Flieger
grad so gern als wie die Segler. Der hat Jobs gemacht - die Knetmasse war Zeuge
-, da war die Subvention noch kein Grundrecht der freien Kunstentfaltung, und
das alles kann man jetzt anschauen. Und da eine anständige Krimibesprechung
einem ja auch nicht die Spannung versaut, nur so viel:Bis 10. Februar 2002.
(DER STANDARD, Printausgabe vom 7./8./9.12.2001)
Quelle: ©
derStandard.at