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Tagwache: Fotografien von Veronique Vial

30.04.2010 | 11:35 | von Christina Böck (Die Presse - Schaufenster)

Die Fotografin Veronique Vial hat berühmte Persönlichkeiten bettwarm vor zehn Uhr morgens abgelichtet – die Wachzustände fielen dabei sehr unterschiedlich aus.

Vor zehn Uhr morgens kann Veronique Vial eine ganze Menge erledigen. Wenn sie nicht gerade in Paris ist: „Da tut sich gar nichts vor zehn Uhr.“ In Los Angeles ist das anders: Da geht sich schon ein Strandspaziergang aus, eine Massage, ein Frühstück – und manchmal ein ganzes Fotoshooting. „Before 10 a.m.“ heißt eine Serie von Bildern, die die französische Fotografin mit Hollywood-Celebrities gemacht hat. Begonnen hat sie mit Männern. „Eigentlich nur, weil ich eine Flirt-methode gesucht habe. Ich hatte mich gerade von meinem Mann getrennt, und wollte Männer ungeschminkt erleben, ohne mit ihnen schlafen zu müssen“, so hat sie die Entstehung der Serie vor ein paar Jahren erklärt. Heute befragt klingt das anders, aber nicht minder pragmatisch: „Ich habe
in Rio gelebt und wollte zum Strand, also habe ich geschaut, dass ich mit der Arbeit um 10 Uhr fertig bin . . .“

Ungeschminkt. Ob gähnend, noch in den Federn oder schon voller Elan unter der Dusche, ob mit Schlafzimmerblick über der Müslischüssel oder schon am Schreibtisch, beim Kinderanziehen oder beim Mit-den-Kindern-im-Bett-Toben: Vial geht es immer um eines. „Wenn du die Seele eines Menschen sehen willst, dann musst du ihn erwischen, bevor er seine Maske aufsetzt.“ Und die Uhrzeit, in der die Maske draufkommt, ist laut Vial eben 10 Uhr. Außerdem „sieht man einfach besser aus, wenn man gerade aufgewacht ist.“ Aber die Morgenstund hat nicht nur Gold im Mund: Es soll auch Stars gegeben haben, die ihr gesagt haben, erst einmal der Kaffee und bis dahin, bitte, ja nicht ansprechen. Wer das war, das erzählt sie natürlich nicht. Aber sie erzählt, dass einige männliche „Motive“ ihr Frühstück mit frisch gepresstem Orangensaft gemacht haben. Und sie erzählt, dass sie Milla Jovovich wecken musste, denn die hat noch tief und fest geschlafen, als Veronique Vial mit ihrer Hasselblad in aller Früh aufgetaucht ist. Die Arbeit mit den vermeintlich eitleren Frauen war übrigens überraschenderweise einfacher als mit den Männern: „Frauen sind großzügiger – zumindest vor 10 Uhr morgens.“

Es sind aber nicht die verschlafenen Prominenten, die Vial in ihrem Portfolio am meisten schätzt. Ihre Favoriten sind die Bilder, die sie beim Cirque de Soleil gemacht hat. „Der Auftrag kam, als ich dachte, mir gehen die Lust und die Ideen aus. Früher dachte ich immer, Zirkus ist ganz nett, aber auch ein bisschen deprimierend. Aber ich habe mich in diese Artisten verliebt. Sie sind Athleten, da ist so viel körperlicher Schmerz, aber auch so viel Magie. Und sie sind wie Kinder, sie wollen immer lachen und spielen.“
Nicht so ganz jugendfrei ist Vials aktueller Bildband, „Naked in Paris“, eine Aktserie mit einer französischen Ballerina – wieder in Schwarz-Weiß: „Ich liebe Schwarz-Weiß. Farbe lenkt ab. Gefühle kommen in Schwarz-Weiß besser rüber.“


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