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Schmied: „Hoffnungsvoll in Bezug auf Pröll“

04.12.2008 | 18:23 | NORBERT MAYER (Die Presse)

Claudia Schmied verrät, was sie mit dem Finanzminister verbindet, warum sie gerne Kulturministerin bleibt und was sie mit Zeitgenössischem vorhat.

Die Presse: Sie sind eine politische Quereinsteigerin. Die Branche ist zuletzt etwas in Verruf geraten. Was hält Sie in der Politik? Gab es auch Momente, wo Sie aufhören wollten?

Claudia Schmied: Das Interessante an der Politik sind die Dimensionen von Maßnahmen, die ich setzen kann. Das habe ich in keinem anderen Beruf erlebt. Wenn etwas gelingt, wie zum Beispiel die Reduktion der Klassenschülerzahl, und ich dann bei Schulbesuchen das Resultat sehe, ist das schön. Ich denke da auch an das Theaterprojekt Koma in der Rahlgasse, das mit einem Wiener Nestroy-Preis ausgezeichnet wurde. Es gibt auch mehr Wertschätzung von den Menschen, als ich vermutet habe. Ich mag diese Begegnungen. Zu kämpfen habe ich aber mit Situationen, in denen die Politik die Logik verlässt und rein aus Prinzip blockiert wird. Mit reflexhaften Ablehnungen kann ich nur schwer umgehen. Dann geht es nicht um die Sache, sondern nur um die Partei.

Manchen wird das zu viel, zum Beispiel Ursula Plassnik, die den Posten als Außenministerin zurückgelegt hat, weil sie sich in der Europapolitik von der SPÖ verraten fühlte. Wie kommen Sie mit dem unsäglichen Brief von Faymann und Gusenbauer an die europafeindliche „Kronen Zeitung“ zurecht?

Schmied: Ich bin eine überzeugte Europäerin und könnte mir keinen Tag vorstellen, an dem Österreich nicht Mitglied der EU ist. Ich denke nur an den Euro. Von den Ratssitzungen habe ich eine einzige ausgelassen. In Brüssel gibt es hochinteressante Treffen in höchster Qualität. Von dort kann man entscheidende Impulse nach Österreich holen. Ich werde Europa zu einem starken Thema in den Schulen machen. Die Art und Weise, wie der Brief an die „Krone“ kommuniziert wurde, kommentiere ich nicht, das hat Werner Faymann mittlerweile schon oft genug getan. Das hat mit der Frage nach einer Volksabstimmung aber nichts zu tun. Wir müssen jeden Tag über die EU diskutieren, sie darf nicht Sündenbock sein.

Wären Sie diesmal nicht lieber Finanzministerin geworden? Dann müssten Sie nicht so sehr um Ihr Kulturbudget fürchten. Das Ministerium ging aber wieder an die ÖVP. Wie zufrieden sind Sie damit?

Schmied: Das Finanzministerium ist sehr attraktiv. Dort habe ich selbst drei Jahre für Minister Rudolf Edlinger gearbeitet. Jetzt bin ich aber nach einer kurzen Legislaturperiode froh, dass ich im Ministerium für Unterricht, Kunst und Kultur weiterarbeiten kann. Nach zwei Jahren sind viele Projekte nur begonnen worden. Heute haben wir eine ganz andere Ausgangslage als 2007. Wir haben erstmals einen Budget-Pfad auch für Kunst und Kultur. Das macht vieles leichter. Ich bin hoffnungsvoll in Bezug auf Josef Pröll als Finanzminister. Von 2001 bis 2008 hat es im Kulturbudget eine Steigerung um insgesamt 27 Millionen Euro gegeben, die jetzt erzielten 20 Millionen Euro mehr in einem Jahr sind eine gute Ausgangsbasis. Der nächste große Schritt sind die Budgetverhandlungen im Jänner. Es geht vor allem um die Basisabgeltung der Bundesmuseen und der Bundestheater. Die muss ich mit dem Finanzminister verhandeln.

Sie sitzen mit dem neuen ÖVP-Chef seit zwei Jahren am Kabinettstisch, kennen Josef Pröll also schon recht gut. Hat er denn etwas übrig für die Kultur?

Schmied: Wir sind per Du. Ich kenne Josef Pröll schon längere Zeit, weil ich bei der Investkredit und der Kommunalkredit mit Umweltförderungen befasst war. Im Kabinett haben wir eher in Fragen der Koordinierung miteinander zu tun gehabt. Wir haben eine korrekte, freundschaftliche Arbeitsbeziehung.

In der derzeitigen Wirtschaftslage ist es ratsam, sich Exit-Strategien zu überlegen. Was wäre das Horrorszenario fürs Kulturbudget? Wo wollen Sie Ihre Akzente setzen?

Schmied: Das kann ich nur individuell beantworten. Die Bundesmuseen und Bundestheater haben hohe staatliche Förderungen im Unterschied etwa zu den USA. Die Ausgangslage ist also krisenfester als dort. Entscheidend ist die Ausgewogenheit bei der Verteilung der Mittel. Ich lege Wert auf die Berücksichtigung des Zeitgenössischen. 70 bis 80 Prozent der Mittel verwenden wir für das Erbe der Vergangenheit. Es muss uns gelingen, das Zeitgenössische stärker mit dem Traditionellen zu verbinden, wie zum Beispiel bei der Restitutionsausstellung im MAK. Unsere Künstlerinnen und Künstler sollen auch internationale Wege beschreiten, da werden wir die Stipendien-Programme ausbauen, die jüngere Künstler fördern. Ein Beispiel: In Brüssel gibt es seit Kurzem in der Vertretung eine permanente Ausstellung österreichischer Künstler. Solche Projekte werden wir offensiv betreiben. Und auch Übersetzungsprogramme sollen gefördert werden.

Sie wollen auch den heimischen Film stärker unterstützen. Kann das überhaupt ein Ausgleich dafür sein, dass der ORF in diesem Bereich neuerdings geradezu versagt?

Schmied: Die Bundesregierung wird die Filmförderung signifikant erhöhen. Entscheidend ist für mich auch der Einsatz in den Bereichen Marketing, Werbung, Vermittlung. Der ORF ist in seinem kulturpolitischen Auftrag gefordert. Das muss die Regierung im Gesamtkonzept bewerten. Die Lage ist ernst, wenn für identitätsstiftende Unternehmen wie AUA oder ORF harte Maßnahmen nötig werden, es braucht sicher grundlegende Reformen.

Wie sehen Sie Ihre bisherige Bilanz, was kann man in den nächsten fünf Jahren erwarten?

Schmied: Die ersten zwei Jahre waren für mich vor allem ein Ankommen, das Erarbeiten von Grundlagen und das Knüpfen von Netzwerken. Erste Weichenstellungen waren große Studien, Schwerpunkte im Bereich der zeitgenössischen Kunst und des Films und die Personalentscheidungen etwa für Staatsoper und Kunsthistorisches Museum. Jetzt kommt eine handlungsorientierte Phase. Ich möchte einen klaren Schwerpunkt in der Nachwuchsförderung setzen, internationale Plattformen schaffen, auch der Film hat hier Priorität.


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