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derStandard.at | Kultur | Gedankenjahr | Plakative Erregung 
02. Jänner 2006
12:12 MEZ
Alfred J. Noll ist Rechtsanwalt in Wien und Universitätsdozent für Öffentliches Recht und Rechtslehre



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Nachlese

"Die prinzipiell verbalisierte Kunstfreundlichkeit"
Rechtsanwalt Michael Pilz im derStandard.at-Interview über die im Staatsgrundgesetz festgehaltene "Freiheit der Kunst"  
Foto: APA
"Der Kunst ihre Freiheit" - Gut und schön, aber was tun, wenn die Künstler statt Kunst nur noch Freiheit wollen? Versetzen Sie sich doch, wie der Autor, in die Rolle des Staates!

Kommentar der anderen: Schafft die Kunstfreiheit ab!
Und was hat die so genannte "Freiheit der Kunst" dem Land unterm Strich gebracht? - Nichts als Zores - Von Alfred J. Noll

Seit 12. Mai 1982 ist die so genannte "Freiheit der Kunst" in Österreich verfassungsrechtlich verankert. Und was hat das dem Land, bitte schön, unterm Strich gebracht? - Nichts als Zores. Oder wie sehen Sie das?


Jetzt ist die Zeit, lassen wir die pseudoaufgeklärte Liberalitätspose beiseite, sei- en wir aufrichtig: Was haben 23 Jahre "Kunstfreiheit" groß gebracht? Wir wollten die Kunst belohnen, wir wollten ehrliches künstlerisches Streben fördern - und wurde es uns gedankt? Nein, es ist uns nicht gelohnt worden. Wir haben das wertvollste Geschenk aus der Schatulle staatlicher Fürsorge genommen und die Kunst zum "Grundrechtsgut" veredelt - und was haben wir bekommen?

Wo bleibt ...

Mittelmäßige Klavierspielrinnen plagten die Nachbarn mit ihrem Geklimper - und ersuchte man um ein bisschen Rücksicht, schon hieß es keck: Kunstfreiheit!

Ausländer überschwemmten uns, und fragte man nach der Arbeitsbewilligung, dann taten sie verwundert und radebrechten mühsam: Kunstfrihit! Und wenn ordinäre Cartoonisten den wohl verdientesten Mann der heimischen Zeitungslandschaft beleidigend als Schweinskopf porträtierten, dann ließ uns das Gericht wissen: Kunstfreiheit! Und wenn wir jetzt die geschmacklosen EU-Pornos (gerade noch rechtzeitig) aus dem Verkehr ziehen, dann schallt uns ein Betroffenheit heischendes "Zensur!" entgegen. So geht das nicht weiter!

Natürlich haben wir auch erreicht, was wir durchaus wollten: Wir konnten der "schönen Kunst" das Geld zustecken, das sie bitter Not hatte - und den "art loosern" und den underdogs der Szene durften wir seit gut zwei Jahrzehnten deutlich vor Augen führen, dass wir sie nicht brauchen und dass wir nicht mit den Mitteln der "Kunstförderung" prämieren, was keinen Wert hat für uns. Aber das war ohnedies eine leichte Übung: ein paar Ankäufe, ein paar Eröffnungsreden samt beigestelltem Personal, und dann war eine Ruh.

Aber Hand aufs Herz: Ist die Kunst besser geworden? Sind die Künstler besser geworden? Diese ganze "Kunstfreiheit" ist doch nichts anderes als die wettbewerbswidrige Förderung einer schwächelnden Wirtschaftsbranche, die sich solcherart gegenüber den Herausforderungen des internationalen Marktes abschottet!

Wenn wir (leider) künstlerische Bewegungen weder unterdrücken noch verordnen dürfen, dann sollten wir auch keine Verantwortung dafür übernehmen. Höchstleistungen werden sich immer durchsetzen, dazu braucht es keine staatliche Freiheitsgarantie, dazu braucht es Initiative und Leistungsbereitschaft. Keiner käme auf die Idee, "Freiheit für den Mobilfunk" zu fordern, aber alle plärren "Freiheit für die Kunst".

...  der Respekt?

Von der "Wissenschaftsfreiheit" redet heute auch niemand mehr, nachdem wir sie durch "Leistungsvereinbarungen" abgeschafft haben. Aber dieses durchaus taugliche Instrument eignet sich nicht für Künstler, die wollen unentwegt nur "frei" sein und sich nicht durch Leistungsversprechen gebunden erachten.

Ach, all diese "Künstler", die vom Handwerk nichts mehr verstehen, das Schöne unentwegt in den Dreck zerren, uns keinen sittlich-ästhetischen Halt mehr geben - sie wollen doch alle keine "Kunst" mehr, die wollen nur noch "Freiheit"! Aber bitte: Freiheit erfordert Verantwortung. Und ist es etwa verantwortungsvoll, die Oberhäupter befreundeter Nationen bloßzustellen? So haben wir uns das nicht gedacht! Ist es respektvoll, unser gemeinsames Haus Europa zwischen die Schenkel einer Nackten zu platzieren? Irgendwann muss Schluss sein!

Wir haben lange genug zugesehen! Man muss auch einmal zugeben können, dass ein Experiment gescheitert ist. Die Kunstfreiheit hat unsere Erwartungen nicht erfüllt. Was wir uns von ihr hoffnungsvoll versprachen, das hat sie uns nicht gegeben. Die Kunstfreiheit rentiert sich nicht. Schafft sie ab, schafft sie endlich ab, ab, ab . . . (DER STANDARD, Printausgabe vom 2.1.2006)


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