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13.12.2003 - Kultur&Medien / Ausstellung
Mumok: Der Reiz der Überflutung
Endlich Action im Mumok: Die Ausstellung "X-Screen" blickt zurück auf filmische Experimente und den Beginn der Multimedia-Kunst in den 60er und 70er Jahren.

Stroboskop-Blitze, Dia- und Filmpro jektionen, Verfolgungs-Scheinwerfer, fegten über ein taumelndes Publi kum. Es war ohnedies schon völlig betäubt vom Sound - immerhin von "Velvet Underground". Andy Warhol hat es ab 1966 in seinen "Exploding-Plastic-Inevitable"-Events so richtig schrill krachen lassen. Die Grenzen zwischen den Gattungen waren gesprengt und fulminant neu abgemischt. Schon ein Jahr früher ließ Warhol - um einiges zurückhaltender - zwei Filmprojektionen parallel auf einer gemeinsamen Leinwand laufen - der gespaltene Blick. Zwei sehr unterschiedliche Arbeiten des Pop-Giganten, die eine Ahnung der Spannweite der Ausstellung "X-Screen" im Museum moderner Kunst geben: vom die Grenzen der Leinwand überschreitenden Film zum alle Sinne überfordernden Total-Erlebnis.

In seiner bisher umfangreichsten Sonderschau seit dem Einzug ins Museumsquartier blickt das Mumok zurück auf die Pionierzeit der Multimedia-Kunst in den 60er und 70er Jahren, als das Kino in die Kunst, von der Leinwand in den Umraum expandierte. Ganze vier der neun Ebenen werden bespielt. Und endlich hält der dunkle Block, was er von außen verspricht: eine Black Box. In abgedunkelten Räumen und Kojen flimmern die Bilder, rattern die Projektoren. Installationen und Dokumente von 36 Künstlern aus In- und Ausland sollen die Wurzeln der heute permanent präsenten und ausgereizten Medien-Kunst ans Licht holen. Damals strapazierten wenigstens noch keine den Verstand narrenden interaktiven Versuche die Nerven.

1965 begann sich rund um das "New Cinema Festival" in New York die Entwicklung hin zu medienübergreifenden Produktionen abzuzeichnen. 1968 wurde in Köln mit "XScreen" dann das erste Forum für den Underground-Film gegründet. Am ersten abend zeigte man dort Arbeiten von Valie Export, Peter Weibel, Kurt Kren, Ernst Schmid, etc. - eine starke österreichische Szene, in der Ausstellung prominent eingebettet in die internationale Entwicklung. Heute noch überzeugen Valie Exports dreifach geteilte Leinwand in "Adjungierte Dislokationen" von 1973 oder ihr nur durch Wasser, Licht und Spiegel ablaufender "Abstract Film No. 1" aus 1967/68.

Als eine der ersten Aktionen von "Expanded Cinema" - die sich auf mehrere Projektionen ausdehnende Form von Kino - gilt Nam Jun Paiks "Zen for Film" (1964). Der Fluxus-Künstler meditiert vor der leeren, hellen Projektionsfläche. Drei Jahre später beschäftigte sich die New York Times mit dem neuen Phänomen der "Kommunikation", dem Multimedialen, das Geräusche, Licht, Farbe, Gerüche, Film zusammenführt. Schönes Beispiel in der Ausstellung: ein Raum aus 1973, in dem man in Hängematten liegend die kaleidoskopartigen Diaschau eines von Kokainlinien entfremdeten Jimi-Hendrix-Covers erlebt, natürlich mit passender Beschallung. Kunst als Rausch eben, wie daneben auch die von der Decke hängenden rotierenden Wetter-Ballone von "USCO" (1967): Auf ihnen dreht und durchdringt sich die Erscheinung eines nackten Pärchens in Tantra-Stellung. Das System erinnert an Tony Ourslers lebhafte Projektionen auf Kugeln, wie man sie heute auf Kunstmessen findet.

Mit "X-Screen" ist dem Mumok jedenfalls eine Schau mit Reichweite geglückt, sinnlich und sinnvoll. Gewünscht hätte man sich einzig mehr Mut zur Dunkelheit im Ausstellungs-Design.

Bis 29. Februar. Di. bis So. 10-18 Uhr, Do. 10-21 Uhr.

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