"Die exzessive Inhaltlichkeit killen"

Im Salzburger Traklhaus werden derzeit aktuelle Zeichnungen und Aquarelle von Siegried Anzinger gezeigt.
Von Maria Rennhofer.


Siegfried Anzinger war Anfang der 80er Jahre einer jener Protagonisten der österreichischen Kunstszene, die eine neue, gestische Malerei schnell über Österreich hinaus bekannt und gefragt machten. Er zählt zu den Hauptvertretern der "Neuen Malerei" und des Neo-Expressionismus, obwohl er selbst sagt: "Die Bilder, die Anfang der 80er Jahre entstanden sind, wirken expressiver als sie sind."

Anzinger hat von Beginn an einen eigenen Weg beschritten: Seine Malerei ist gestisch, jedoch nicht dramatisch und aggressiv, sondern eher von milder Melancholie geprägt. Es geht ihm nicht um die Vermittlung direkter Emotion, sondern vielmehr um eine reflektierte, distanzierte Haltung.

Die Motive töten

Siegfried Anzinger zeigt im Trakl-Haus derzeit ganz neue Arbeiten. Eine Gruppe von Lithografien, vor allem aber Zeichnungen, Aquarelle und Mischtechniken, die in den letzten Monaten entstanden sind. "Ich habe mich entschlossen, hier wieder einmal auf das Medium kolorierte Zeichnung zu setzen."

Wie oft bei Anzinger entstand auch diese Sammlung in Zusammenhang mit großen Ölbildern: "Für mich heißt zeichnen oder kolorierte Blätter machen, mich so an ein Motiv zu gewöhnen, dass ich vergesse, an welchem Motiv ich dran bin. Mit dem Vielzeichnen töte ich auch die Aussagekraft meiner Motive, sie werden zu ganz beliebigen Formeln heruntergezeichnet."

Zyklischer Arbeitsrhythmus

Diese Motivketten entwickelt Siegfried Anzinger assoziativ und in großen Zyklen, und sie stellen oft die Verbindung zu früheren Motiven her: "Die reichen zurück in die letzten fünf, sechs Jahre, wo ich das Madonnenmotiv, eine in der Wiese stehende Madonna, entwickelt habe. Die habe ich jetzt Schritt für Schritt zum Sitzen gebracht. Dann griff ich ältere Tiermotive auf und kreierte so etwas wie eine Erschaffungsserie: Ein fliegender Gott schafft im Flug die Tierchen auf der Erde. Ich wollte das alles sehr literarisch probieren, auch erzählerisch, anekdotenhaft."

Die Erkennbarkeit bestimmter Motive ist durchaus erwünscht. Anzinger schreckt auch vor simplen, scheinbar banalen Inhalten nicht zurück: ein Hund, eine menschliche Figur, ein Landschaftsfragment. Obwohl es ihm eigentlich nur um die Begegnung zwischen dem Buntstift und der Linie geht.

Leichte, hübsche Bilder

Den Kontrast zu den frühen, gestischen Bildern, mit denen Siegfried Anzinger in den frühen 70er Jahren Anerkennung gefunden hat, empfindet der Künstler selbst eher als kontinuierliche Entwicklung: "Ich wusste schon in den Phasen der heftigen Malerei, wie ich ungefähr meine Malerei beruhigen möchte, wie ich die Schwerpunkte wieder anders setzen möchte. Das Wichtigste war für mich, das Gewicht herauszunehmen, die exzessive Inhaltlichkeit zu killen, um vielleicht irgendwann einmal wieder zu leichten, hübschen Bildern zu gelangen. Ich wollte ganz gerne, dass die Malerei auch wieder einmal ein bisschen das Fliegen lernt."

Anzingers Bilder haben trotz aller immer noch vorhandener Expressivität eine gewisse Zeitlosigkeit und etwas Klassisches. Er zählt heute zu den meistbeachteten österreichischen Malern der "Mittleren Generation".

Tipp:

Siegfried Anzingers Ausstellung im Salzburger Traklhaus bleibt bis 16. September zugänglich.

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