15.04.2002 12:08:00 MEZ
Causa "Sensendengler": Der Rechtsstreit geht weiter
Leopold Stiftung gewinnt aus Mangel an Beweisen in erster Instanz - Anwalt von Moric Picks Erbin will berufen

Wien - Die Stiftung Leopold hat den Prozess gegen Vera Gara, die Tochter des 1938 von den Nationalsozialisten enteigneten Wiener Kaufmanns und Salamifabrikanten Moric Pick, um Herausgabe des Bildes "Der Sensendengler" von Albin Egger-Lienz in erster Instanz gewonnen, teilte Direktor Rudolf Leopold am Sonntag mit. Der Gerichtsstreit um das in der Stiftung befindliche Bild wird aber weitergehen. Garas Anwalt Dietmar Czernich will nun Berufung einlegen.

Kein Nachweis, dass gesuchtes Bild ident ist

Begründet wurde das Urteil der ersten Instanz damit, dass nicht mehr nachgewiesen werden könne, ob das von der Klägerin gesuchte Egger-Lienz-Bild mit dem "Sensendengler" der Leopold Stiftung ident sei. Der Innsbrucker Anwalt Dietmar Czernich hatte im Dezemeber 2000 beim Landesgericht für Zivilrechtsachen Wien Klage gegen die Privatstiftung Leopold Museum und gegen den Sammler Rudolf Leopold auf Herausgabe des Bildes "Der Sensendengler" von Albin Egger-Lienz eingebracht.

Deutschland: Beweislastumkehr zu Gunsten der Opfer

Czernich kommentiert das Urteil: "Es geht um eine grundsätzliche Rechtsfrage, die der Oberste Gerichtshof entscheiden muss". Es gehe bei diesem Präzedenzfall "um die Frage, ob man auf Restitutionsansprüche dieselben gesetzlichen Regelungen anwendet wie bei Fällen von Besitzentziehung und Eigentumsklagen. In Deutschland zum Beispiel gibt es eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, die von einer Beweislastumkehr zu Gunsten der Opfer ausgeht."

Klägerin im Beweisnotstand

"Nach meiner Auffassung sprechen viele Gründe für Identität des Bildes der Leopold Stiftung mit jenem, das der Vater der Klägerin besessen hat", meint Czernich, "aber wir haben keine Beweise, sondern nur Wahrscheinlichkeiten." Die Klägerin, Vera Gara, die Tochter des 1938 von den Nationalsozialisten enteigneten Wiener Kaufmanns und Salamifabrikanten Moric Pick, befinde sich in einem "Beweisnotstand, weil die Unterlagen entweder verloren gegangen sind in den Kriegswirren oder gar nicht angefertigt wurden".

Wie sollen Leute, die um ihr Leben kämpfen Beweismaterial sammeln?

Für den Innsbrucker Anwalt ist die betreffende Causa ein typischer Fall einer Restitutionsklage. "Der Gesetzgeber hat ja in zwei Gesetzen, die allerdings hier nicht direkt anwendbar sind, nämlich dem Kulturgüterrückstellungsgesetz und dem Entschädigungsfondsgesetz, gesagt, bei Restitutionsansprüchen genüge es, wenn man seinen Anspruch nur glaubhaft macht. Da hat der Gesetzgeber erkannt, dass in der Zeit, als diese Leute um ihre Leben kämpften, niemand Zeit hatte, Beweismaterial zu sammeln." Es stelle sich nun die Frage, ob man die Beweislast gemäß den Empfehlungen der Washingtoner Konferenz über die Rückgabe von Kulturgütern nicht auch in solchen Fällen umkehren solle. (APA/red)

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Vorgeschichte

Vera Gara, die Tochter des 1938 von den Nationalsozialisten enteigneten und 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen umgekommenen Wiener Kaufmanns und Salamifabrikanten Moric Pick, in dessen Besitz sich ein Bild von Egger-Lienz namens "Der Sensenschmied" befunden hatte, hatte im Dezember 2000 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien Klage gegen die Privatstiftung Leopold Museum und gegen den Sammler Rudolf Leopold auf Herausgabe des Bildes eingebracht. Nachdem Egger-Lienz das Sujet des "Sensendenglers" mehrfach ausgeführt hatte, ist strittig, ob es sich das in der Leopold Stiftung befindlichen Bild um jenes von Pick handelt.

Egger-Lienz hat das Sujet des "Sensendenglers" mehrfach ausgeführt. So führt die Egger-Lienz-Monographie von Wilfried Kirschl vier "Sensendengler" an, davon zwei Aquarelle, die sich seit den zwanziger Jahren in Privatbesitz in Bozen befinden. Weiters ein Ölbild aus der Sammlung Leopold sowie ein noch größer dimensioniertes Bild (Kasein auf Leinwand), von dem man nicht weiß, wo es sich befindet. Von dessen Existenz weiß man von einer Ausstellung 1912 in Dresden.

Das Bild des Leopold-Museums wird in der Egger-Lienz-Monographie als 1910 entstandene erste Fassung des Sujets angeführt, die sich in der Wiener Sammlung Franz Hauer befand. Es war 1928, 1929 und 1930 in Kunstauktionen des Wiener Dorotheums zum Verkauf ausgerufen worden. Leopold hatte das Bild in den fünfziger Jahren in Krems gekauft. (APA)




Quelle: © derStandard.at