Die unbekannten Seiten des bekanntesten Künstlers
ERNST P. STROBL LONDON (SN). Die drastische Erotik in Pablo Picassos Spätwerk hatte 2006 der Albertina einen schönen Publikumserfolg beschert, allerdings vielleicht auch den Blick auf den Jahrtausendkünstler ein wenig verengt. Mit einem bisher völlig „unterbelichteten“ Aspekt im Schaffen Picassos wollen zwei renommierte Institutionen vom anhaltenden Ruhm des Spaniers zehren. Picasso als politischer Künstler steht im Zentrum einer Ausstellung an zwei Schauplätzen, Liverpool und Wien. Es ist nicht die erste Zusammenarbeit der Tate Liverpool und der Wiener Albertina, die englische Stadt, 2008 Kulturhauptstadt Europas, verbuchte mit „Gustav Klimt. Painting, Design and Modern Living“ einen Sensationserfolg.
Es ist zwar noch einige Zeit bis dahin, aber bereits am Dienstag präsentierte das Direktoren-Duo Christoph Gruenenberg von der Tate Liverpool und Klaus Albrecht Schröder von der Albertina in London das Projekt „Picasso: Peace and Freedom“, eine Ausstellung, die ein wenig vom „Playboy“ und Lustmenschen Picasso ablenken könnte hin zu einem höchst engagierten Vorkämpfer für Frieden und Gerechtigkeit. Als Rahmen für die Pressekonferenz wurde die Karl-Marx-Bibliothek gewählt, ein ebenso beschaulicher wie authentisch geschichtsträchtiger Ort im Herzen Londons. Picasso war 1944 in die Kommunistische Partei eingetreten und blieb zeitlebens Mitglied.
Sein 1937 entstandenes Bild „Guernica“ anlässlich der Bombardierung des baskisches Städtchens im Spanischen Bürgerkrieg ist heute wohl das politischste aller Kunstwerke, aber auch später ergriff Picasso Partei gegen Krieg und Unterdrückung. Tauben waren zwar schon in der Kindheit ein Motiv, Picassos Friedenstauben zierten Plakate von Weltfriedenskongressen nach Ende des Zweiten Weltkriegs, an denen der Künstler auch mitunter teilnahm. Das Gemälde „The Charnel House“ (1944/45) ist das zentrale Bild der geplanten Ausstellung, es entstand in Reflexion auf einen Film über die Auslöschung einer ganzen Familie und zugleich auf die Befreiung der KZ-Opfer. Bis hin zum „Raub der Sabinerinnen“ und Stillleben mit Menschen- und Tierschädeln reicht der Bogen der „politischen“ Bilder, die Kuratorin Lynda Morris auf der Wunschliste der rund 150 Werke für die Schau hat. 15 Grafiken und drei Gemälde steuere die Albertina bei, sagte Klaus Albrecht Schröder.
Die 1988 eröffnete Tate Liverpool, das größte Museum zeitgenössischer Kunst außerhalb Londons, ist u. a. im Förderprogramm des „Northwest European Regional Development Fund“, der allein in den nächsten drei Jahren 880.000 Pfund (933.000 Euro) für Programmförderung zur Verfügung stellt. Für Steven Broomhead, den Vorstand des Funds, soll vor allem der touristische Aufwind des Kulturhauptstadtjahres nicht abhanden kommen. Auch das ist Anlass, bereits jetzt mit der Werbung für die Picasso-Ausstellung zu beginnen, die erst im Herbst 2010 eröffnet wird. www.tate.org.uk/liverpool