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Albertina: „Picasso gibt es heute keinen mehr!“

05.03.2008 | 18:19 | BARBARA PETSCH (Die Presse)

Klaus A. Schröder spricht im Interview mit der "Presse" über aktuelle Kunst, Altmeister, seinen Vertrag und die Museumsreform.

Die Presse: Die Albertina ist jetzt fast fertig ausgebaut. Womit werden Sie sich die nächsten zehn Jahre die Zeit vertreiben – oder gehen Sie nach München oder ins KHM?

Klaus Albrecht Schröder: Es ist durchaus ehrenvoll, für Positionen wie die Generaldirektion der Bayrischen Staatsgemäldesammlung genannt zu werden. Aber ich bin hier in Wien sehr glücklich und zufrieden. Ich habe nicht vor, die Albertina zu verlassen. Die Zeit wird mir die nächsten zehn Jahre sicher nicht lang werden. Was von einer Direktion bleibt, sind am Ende nicht die Ausstellungen, auch wenn eine halbe Million Besucher Dürer gesehen hat, sondern das Museum selbst: Die neuen Ausstellungshallen, die restaurierten Prunkräume, die Überdachung des Hofes, der Aufgang von Hans Hollein. Es ist faszinierend, wenn man ein Museum so völlig neu im Inneren wie im Äußeren gestalten und positionieren kann. Das ist abgeschlossen, sobald im Herbst unsere dann größte Ausstellungshalle im zweiten Stock fertig ist. Ich möchte mich die nächsten Jahre auf die Forschungs- und Ausstellungsprojekte konzentrieren. Es soll jedes Jahr eine große Altmeister-Ausstellung geben, eine zur Klassischen Moderne, wechselnde Präsentationen aus unserer Gegenwartskunst-Sammlung sowie drei bis vier Studioausstellungen.

 

Ist Ihr Vertrag schon verlängert?

Schröder: Mein Vertrag läuft bis Ende 2009, und er ist noch nicht verlängert.

 

Ist es dafür nicht schon höchste Zeit?

Schröder: Die Position von Generaldirektor Seipel im KHM wurde auch sehr spät ausgeschrieben. Ab 1.Jänner2009 muss der Nachfolger das Haus führen. Bei einem Theater könnte man das nicht machen. Wir müssen unsere Pläne für drei Jahre abliefern. Ich möchte das nicht bewerten.

 

Was hat Sie gefreut in den fünf Jahren seit der Albertina-Wiedereröffnung, was ärgert Sie?

Schröder: Am meisten hat mich gefreut, dass wir das Vertrauen der Besucher zurückgewinnen konnten. Das Museum ist in aller Munde. Man spricht darüber, man schreibt, man denkt nach, was die Albertina macht. Sie ist ein Thema, man schätzt sie, kritisiert sie. Was hier geschieht, ist immer wichtig.

 

Sie sind aber gelassen geworden. Wo bleiben die Ärgernisse? Die Museumsreform der Ministerin, die Rahmenzielvereinbarungen, die ihre Möglichkeiten, zeitgenössische Kunst zu zeigen, einschränken könnten, das Budget?

Schröder: Der Ärger ist immer ein kurzfristiger und vergeht bald. Die Museumsreform tritt jetzt in die dritte Phase. Das ist gut so. Da werden vielleicht wichtige Themen zur Sprache kommen wie die Gründung eines Architekturmuseums oder die Zukunft der hochinteressanten medizinhistorischen Sammlungen. Das sind Projekte, die sehr viel Geld kosten. Rahmenzielvereinbarungen kann man leicht machen, die kosten kein Geld. Zum Budget: lieber Rücklagen als ein Defizit. Unsere finanzielle Situation ist stabil. Z.B. sind wir in der Lage, für die große Van-Gogh-Ausstellung im Herbst eine Versicherungsprämie von fast zwei Mio. Euro zu bezahlen. Die Staatshaftung müsste dringend auf zwei bis drei Milliarden Euro erhöht werden. Die Bundesmuseen haben ein sehr aktives Ausstellungsprogramm, da sind bei den gegenwärtigen Versicherungssummen 300 oder 400 Mio. Euro für außergewöhnliche Projekte nicht genug. Das Versicherungsvolumen bei Van Gogh beträgt mehrere Milliarden Euro.

 

Wie beurteilen Sie die aktuelle Kunstrestitutionsdebatte, die sich auf die Leopold-Stiftung fokussiert, die 14 Egger-Lienz-Gemälde zweifelhafter Provenienz zeigt, die meisten sind Leihgaben aus den Bundesländern...

Schröder: Rudolf Leopold steht im Augenblick ungerechtfertigt unter einem so großen Druck. Bildbeschriftungen in Ausstellungen tragen nie die Angaben zur Provenienz der Werke. Die fragwürdigen Provenienzen von 14 Leihgaben der Egger-Lienz-Ausstellung sind seit Jahrzehnten bekannt. Man hätte vor zwei Monaten, zwei Jahren oder 20 Jahren einen Anspruch erheben können. Ich verstünde das auch durchaus. Man kann jederzeit sein Recht einklagen, nur nicht, wenn diese Werke als Leihgaben in einer Ausstellung sind. Da zerstört man das internationale Ausstellungsgeschehen. Darum gelten in vielen Ländern Immunitätsgesetze für Leihgaben, auch in Österreich.

 

Ihnen wird die Schuld zugeschoben, dass Schieles „Wally“ aus der Sammlung Leopold vor zehn Jahren bei einer Ausstellung im Museum of Modern Art in New York (MoMa) beschlagnahmt wurde, weil sie damals für die Leopold-Stiftung tätig waren und vergessen haben, die Immunität zu beantragen.

Schröder: Es ist doch sehr die Frage, ob nicht das MoMa diese spezielle Immunität beantragen hätte sollen – was übrigens gar nichts an der kontrovers beurteilten Provenienz der Bilder ändern würde.

 

Es wird eventuell eine Novelle zum Kunstres-titutionsgesetz geben. Sind Sie dafür, die Leopold-Stiftung dem Gesetz zu unterwerfen?

Schröder: Die Leopold-Stiftung wird zu Recht als eine öffentliche Sammlung erlebt: wie Bundes- oder Landesmuseen. Das Restitutionsgesetz sollte für alle öffentlichen Sammlungen in Österreich gelten. Wie das zu machen ist, weiß ich nicht. Ich bin Kunsthistoriker, nicht Jurist.

 

Im Theater gibt es immer mehr neue Texte. Wie ist das Verhältnis zwischen Altmeistern und zeitgenössischer Kunst? Wird der Boom bei Klassischer Moderne nicht bröckeln?

Schröder: Nein. Von 1870 bis 1920 – französische Impressionisten, Klassische Moderne, Picasso, Matisse – geschah der radikalste und revolutionärste Bruch in der Geschichte der Kunst der letzten 600 Jahre. Die Altmeister haben es heute immer schwerer, weil sie vielen immer unverständlicher werden: Die Allegorien, die Inhalte, die religiösen Themen, da ist uns so manches fremd geworden. Die zeitgenössische Kunst ist leider für viele Museumsbesucher ein bequemes Pendant zum Window-Shopping. Man nimmt die Dinge schnell auf, findet sie witzig, geht zum nächsten Trend. Ich fürchte, die Popularität der zeitgenössischen Kunst beruht auf der leichten Befriedigung oberflächlicher Wahrnehmungsreize. Heute kann nur mehr sehr schwer die nachhaltige Wirkung eines Picassos erreicht werden.

 

Wie ist es mit der Carl-Djerassi-Sammlung?

Schröder: Wir werden eine Partnerschaft mit dem San Francisco Museum of Modern Art schließen. Carl Djerassi hat diesem Museum 65 Werke Paul Klees gegeben und 65 Klees wird er der Albertina schenken. Ferner macht er eine finanzielle Stiftung für jedes dieser beiden Museen. Solche Kooperationen mit Sammlern sind die Zukunft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2008)


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