Salzburger Nachrichten am 10. Mai 2006 - Bereich: Salzburg
"Provokation darf sein!"

Geschürte Emotionen um "Kontracom" führen zu Aussagen wie: "Ihr gehört ins Arbeitslager!" Die SN sprachen mit dem Obmann des Altstadtverbands.

heinz bayer Interview Das Altstadtmarketing fördert Kontracom06 mit 450.000 Euro. Dafür hagelt es aus eigenen Reihen massive Kritik. Die SN sprachen mit Helmut Mayr, Obmann des Altstadtmarketings. Er ist Hotelier in der Innenstadt.

Inga Horny, die Geschäftsführerin ihres Verbands, schildert Spaziergänge durch die Stadt so: "Es gab in den letzten Tagen Situationen, da kam ich mir wie eine Jüdin im Dritten Reich vor. Derart angefeindet und beschimpft wurde ich." Mitarbeiter von "Kontracom" verweigern Interviews, weil sie Angst haben, ihr Name könnte in der Zeitung stehen. Dem Zimmermeister des Bauzauns vor dem Mirabellgarten wurde gesagt: "Ihr gehört ins Arbeitslager." Was läuft da schief, Herr Mayr? Mayr: Derartige Aussagen machen mich tief betroffen. Aber im Ton vergreifen sich nur einige wenige. Dass die Aufregung offenbar groß ist, führe ich aber vor allem auch auf eine schlechte Kommunikation zurück. Den Menschen in Salzburg wurde von den Organisatoren im Vorfeld viel zu wenig erklärt, worum es bei diesem Kunstfestival geht.

Und worum geht es? Mayr: Salzburg ist nicht nur eine Einkaufsstadt. Salzburg ist vor allem ein Kultur- und Erlebnisraum. Da darf es Provokationen geben - im positiven Sinn. Mozart und die Festspiele lassen sich nicht bis zum Exzess strapazieren. In Bezug auf Mozart stehen wir mit Städten wie Prag oder Wien in harter Konkurrenz.

Wir brauchen noch weitere Standbeine. In touristisch ruhigen Zeiten wollen wir deshalb neue Gästeschichten ansprechen und für Salzburg begeistern. Junge, kulturinteressierte, urbane Menschen.

Wären da nicht Rockkonzerte zielgerichteter? Mayr: Nein, weil es um Nachhaltigkeit geht. Das Festival soll alle zwei Jahre stattfinden. Es soll einen Stellenwert entwickeln wie zum Beispiel die Biennale in Venedig oder die Documenta in Kassel. Bilbao wird wegen des Guggenheim-Museums von 800.000 Gästen pro Jahr besucht.

Die Voraussetzungen, dass "Kontracom" ein Erfolg wird, sind da. Mit Max Hollein und Tomas Zierhofer-Kin wurden namhafte Intendanten verpflichtet. Die engagierten Künstler spielen international in der obersten Liga. Wenn sich zeigen wird, dass dadurch viele Menschen angesprochen werden, dass es international eine positive Resonanz in den Medien gibt und es sich wirtschaftlich positiv niederschlägt, werden die Kritiker leiser werden. Dass der eine die Kunstwerke interessant, der andere aber als Zumutung empfindet, liegt in der Natur der Kunst.

Und das Argument, für auf dem Kopf stehende Hubschrauber werde Geld ausgegeben, in den Kindergärten der Stadt und bei den Sportvereinen aber gespart? Mayr: Wir müssen öffentliche Mittel einsetzen, um Dinge in Bewegung zu setzen und um dadurch wieder Geld zu verdienen. Den Erzbischöfen, die diese wunderbare Barockstadt gebaut haben, müssen wir danken. Es ist ein Glücksfall, dass Mozart mit Salzburg verbunden ist. Wir haben heute die Verantwortung, neue Akzente zu setzen, neue Dinge auszuprobieren.

Sie haben Bilbao und das Guggenheim-Museum als Beispiel dafür angeführt, dass Kunst und Tourismus sich gut ergänzen können. Aber "Kontracom" findet auf öffentlichen Plätzen statt. Mayr: Das ist ja das Spannende, bringt den Dialog in Schwung und mobilisiert die Menschen im positiven Sinn. Die Altstadt muss aufregend und interessant bleiben! Wir dürfen nicht um 19 Uhr den Gehsteig hochklappen. Die Altstadt ist ein Erlebnisraum.

Der Standort von Paola Pivis Hubschrauber wurde nach ersten Protesten vom Mozartplatz auf den Residenzplatz übersiedelt. Sind Salzburgs Politiker feige? Mayr: Das trau ich mich so nicht zu sagen. Die Politik stellte sich jedenfalls in der Situation, als Kritik aufkam, nicht wirklich aktiv hinter das Festival.

Wird es 2008 das zweite "Kontracom"-Festival geben? Mayr: Davon gehe ich aus. Land, Stadt und wir als Altstadtverband haben uns darauf festgelegt.

Aber offenbar will die Politik mehr Einfluss auf die Gestaltung. Die ÖVP ist für die Abschaffung des Kunstbeirats. Mayr: Den Kuratoren weitere Kuratoren in Form von Politikern vor die Nase zu setzen, halte ich nicht für sinnvoll. Salzburg ist Weltkulturerbe. In Bezug auf die klassische Musik stehen wir weltweit im Zentrum. Weltkulturerbe zu sein, verpflichtet uns auch neue, zeitgenössische Kultur zu präsentieren. Neue Menschen sollen Salzburg entdecken und Salzburg das Neue.