OÖNachrichten
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©Herzenberger
von
Irene Judmayer
1380 Grad Schmelztemperatur
Sie funkeln, sie blitzen, sie schimmern.Sie verlocken zum Berühren, sie verleiten zur Entdeckungsreise in unergründliche transparente Tiefen: Die OÖN trafen den Kopfinger Helmut W. Hundstorfer, der seine magischen Glasobjekte in der glas.galerie Linz zeigt.

"Als Bub hab' ich bei der Linzer Glasfabrik in die Fenster hineingeschaut. Das war für mich wie im Märchen: 45, 50 Leute, die da drinnen Glas geblasen haben. Stellen Sie sich vor: Sonnenbrillengläser wurden damals noch mundgeblasen! Das hat mich gepackt." - erzählt der in Kopfing im Innviertel lebende 57-jährige Künstler: "In den Ferien hab ich's dann ausprobiert und dann bin ich sowieso hängen geblieben." Anfangs fehlte das Verständnis aus seiner Umgebung völlig: "Die Leute haben mich gefragt, warum tuast' des, schau' dir doch an, wie die schwitzen!"

Keine Frage, Hundstorfer hat die Sauna im Beruf. 1200 Grad Arbeitstemperatur. Erweichungstemperatur 600 Grad. 1380 Grad Schmelztemperatur.

"Glas ist das einzige Material, das man nicht in Händen halten kann. Hängt an einem Stangl. Ich dreh's und wende es, blas rein. Hilfsmittel sind auch nasse Zeitungen. Die OÖN übrigens. Die kauf ich mir immer, ich les' sie gern und kann sie auch nachher gut verwenden, zum Drehen meiner Objekte."


Fand schnell eigene Linie

Hundstorfer lernte dann auch in der Linzer Glashütte sein Handwerk von Grund auf. "Dann bin ich herumzigeunert. Ich hab' in insgesamt elf Glashütten gearbeitet. Zu meiner Zeit hat man sich die Schmelzöfen noch selber bauen müssen. Deswegen bin ich viel herumgefahren, um die effektiv-ste Möglichkeit so eines Schmelzofenbaus zu lernen."

Fünf Jahre davon übrigens in Nürnberg als Designer für eine Lampenfirma. "Relativ bald hab' ich gewusst, dass ich das Glas einmal so machen will, wie ich mir das vorstelle. Mein erstes Vorbild war damals Erwin Aisch, der hatte den ersten eigenen Ofen in der Glasfabrik". Hundstorfer fand aber schnell seine eigene Linie.

Vor fünfundzwanzig Jahren kam sein Schritt in die Kunst. In Österreich. "Angefangen hab' ich in Wilhering in einer Lastwagen-Garage. Dann sind wir ins Elternhaus meiner Frau nach Riedau gezogen. Dort hatte ich meine erste größere Werkstatt. Dort hab ich durchgestartet."

Anfangs war es für den mittlerweile international begehrten Glaskünstler nicht leicht: "Da bin ich mit meiner Reise-tasche herumgefahren und hab' gefragt, wer mir ein Stück abkauft. Diese Zeit möcht' ich nicht mehr erleben!".

Muss Hundstorfer wohl auch nicht mehr. Zwei Stationen seines Glaskunst-Lebens seien herausgegriffen: "Da war zunächst eine Ausstellung in Amerika, in North Carolina beim bekanntesten Glasmann weltweit. Harvey Little. Durch die seltene Chance, in seinem Studio zu arbeiten, bekam ich viele Kontakte." Der zweite Höhepunkt war "eine Ausstellung in Tokio, zu der tatsächlich ich gegen Konkurrenz von Hundertwasser etc. eingeladen wurde. Die wollten wirklich nur mich. Das war ein tolles Gefühl. Da hab ich viel verkauft, mir wurde alles gezahlt. Das war ein Traum."


Tief im Sauwald

Markenzeichen des Künstlers: "Die Kugeln. Denn die sind immer wieder eine Herausforderung. Und Muscheln." Dafür wurde er international ausgezeichnet: "Da blas' ich ein langes Rohr, mach' einen Knoten rein und versuche, den wieder aufzublasen." Dabei hilft ihm seine Frau Hermi: "Ohne sie wär' ich nie so weit gekommen!" Dreizehn Jahre leben und arbeiten die beiden schon in Kopfing: "Tief im Sauwald. Wo ich in Ruhe werken kann." Denn nichts stört den Künstler mehr, als "Leute, die herumstehen, sich nicht auskennen, zu viel reden und mich aufhalten."

Was sagt Hundstorfer zur Behauptung, materialbezogene Kunst sei heute "vorbei"? "Das glaub' ich nicht", sagt er überzeugt: "Solange die Leute was angreifen wollen, solange sie was haben wollen, kann das nie vorbei sein. Ich bin halt ein Materialfetischist."

Angesichts seiner glasfunkelnden Pracht: Möge das immer so bleiben!

Info: glas.galerie.linz , 0732/ 77 10 11.



OÖnachrichten vom 05.05.2004
 
   



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