Elke Krystufek, Wiener
Künstlerin mit Weltgeltung, über Nacktheit, Death Metal und
Kabelfernsehen, über das Grauen als Antrieb und das Spiel mit der
Idee des Rückzugs.
profil: Wo immer über Sie geschrieben wird, taucht
unweigerlich der Begriff der Provokation auf. Sehen Sie das auch als
Einengung Ihrer Arbeit? Krystufek:
Es stimmt, es gibt diese Sichtweise auf meine Arbeit, aber ich
glaube, ich lebe in einer anderen Art der Kultur: in einer Kultur,
die ich mir selbst geschaffen habe. Für mich ist Provokation kein
Thema.
profil: Sie haben sehr jung begonnen und blicken nun, mit
32, bereits auf gute zehn Jahre sehr erfolgreicher Arbeit im
internationalen Kunstbetrieb zurück. Zeit für ein vorläufiges
Resümee? Krystufek: Jung
Künstlerin zu sein ist eine ziemlich harte Erfahrung. Aber das ist
für alle so, die das erleben. Die letzten Jahre waren dann doch eher
eine gute Zeit, auch wenn das nicht unbedingt mit dem Kunstbetrieb
zu tun hat.
profil: Verändert sich mit dem Wissen, als "Star" zu
gelten, nicht auch die Arbeit selbst? Krystufek: Ich glaube, man kann überhaupt erst
dann richtig arbeiten. Aber es ist auch enttäuschend festzustellen,
wie wenig Reaktion man bisweilen bekommt. Der eigene Arbeitseinsatz
und die Reaktionen darauf haben nicht unbedingt miteinander zu tun.
Mit der Zeit bemerkt man, wie wenig das zusammengeht.
profil: Die große
Ausstellung, die Sie gerade fertig stellen, trägt den Titel "Nackt
& mobil". Das Spiel mit dem Spektakel, für das Sie ja berühmt
sind, scheint darin wieder anzuklingen. Krystufek: In dem Titel steckt die Idee eines
Widerspruchs: Wenn man nackt ist, kann man sich ja zum Beispiel in
der Öffentlichkeit eher nicht bewegen. Es ist vorgekommen, dass sich
Leute an der Grenze, um nicht abgeschoben zu werden, ausgezogen
haben. Der Titel bezieht sich auf alle Formen der Nacktheit, auch
auf solche, die nicht mit Sex zu tun haben, etwa die beim Arzt oder
bei polizeilichen Kontrollen. Nacktheit hat ja sehr verschiedene
soziale Funktionen. Und das Seltsame ist auch, dass die Nacktheit,
wenn man sich lange damit befasst, auch zu einer Art Uniform wird.
Der Künstler Maurizio Cattelan hat mir einmal gestanden, dass er –
weil er nur meine Arbeiten kannte – es verstörend und ungewohnt
finde, mich angezogen zu sehen.
profil: Das Prinzip der
Collage ist eine Basis Ihres Werks. Krystufek: In letzter Zeit befasse ich mich
zunehmend mit theoretischen Texten, mit cultural studies. Slavoj
ŠZiŠzek kommt bei mir gegenwärtig oft vor, weil er großartige Dinge
schreibt. Der Djihad, sagt er etwa, sei immer auch ein McDjihad. Mir
gefällt es einfach, die Richtung umzudrehen: Während in der Theorie
meist die Kunst hergenommen wird, um Texte herzustellen, nehme ich
mir Zitate aus solchen Texten, um sie für meine Kunst zu verwenden.
profil:
Humor spielt eine zentrale Rolle in Ihrer Arbeit. Wird er zu oft
übersehen? Krystufek: Vielleicht.
Der Witz meiner Arbeiten ist relativ kompliziert, speziell bei
manchen meiner Collagen; er ist nicht immer gleich
zugänglich.
profil: Sehen Sie Ihr Werk denn als ironisch? Der Begriff
der Ironie ist ja vielerorts verpönt: als der einfachste Weg, sich
von allem zu distanzieren, nicht angreifbar zu sein. Krystufek: Ich glaube, wenn man Kunst macht, ist
man automatisch sehr distanziert. Es ist eine Form der
Distanzierung.
profil: Das Kunstwerk schützt. Es schließt sich wie eine
Hülle um den, der es herstellt. Krystufek: Ja, es geht nur um Distanz. Und je
authentischer man selbst ist, umso weniger Kunst braucht
man.
profil: Der Widerspruch zwischen radikaler "Privatheit" und
größtmöglicher Ungreifbarkeit gehört zu den beliebtesten Klischees
im Schreiben über Sie. Krystufek:
Mich selbst hat diese Frage nie wirklich beschäftigt. Mich haben
Inhalte interessiert, aber nie der Konflikt zwischen Privatem und
Öffentlichem.
profil: Dennoch hat sich gerade das als der
meistbeschriebene Aspekt Ihrer Arbeit durchgesetzt. Krystufek: Das hat vor Jahren jemand geschrieben,
seither wird es unaufhörlich zitiert. Das ist ein Hauptgrund für
mein gegenwärtiges Interesse an der Theorie. Ich will die Kontexte
ein wenig öffnen. Es ist schon entsetzlich, wenn in dieser Art zehn
Jahre lang abgeschrieben wird.
profil: Sie haben auf
die Frage nach Ihrem kreativen Antrieb einmal geantwortet: das
Grauen. Gilt das noch? Krystufek:
Das Grauen herrscht heute in mir vielleicht etwas weniger vor.
Dennoch: Je länger man sich mit der Kunst auseinander setzt, umso
mehr fragt man sich, wozu überhaupt noch?
profil: Die
Selbstzweifel haben nicht nachgelassen? Krystufek: Ich habe beispielsweise seit dem Sommer
nicht mehr gemalt. Und ich hab bemerkt, dass es mir nicht wirklich
abgeht, dass man sich gut auch mit anderen Dingen beschäftigen kann;
Mode und Design interessieren mich derzeit mehr als die Malerei.
Vielleicht auch, weil die Kunst immer weniger ästhetisch wird.
profil:
Das heißt: immer theoretischer? Krystufek: Sie wird immer theoretischer,
entwickelt sich wieder mehr in Richtung Konzeptkunst. Die inhaltlich
spannenden Ausstellungen sehen einander formal immer ähnlicher. Die
Sinnlichkeit wird in der Kunst merklich reduziert, das konnte man
auch auf der letzten documenta ganz gut sehen. Es geht einfach immer
weniger um Schönheit.
profil: Das Schöne ist
doch kaum zu definieren. Krystufek: Schon, aber es geht mir auch darum, das
Gefühl zu kriegen, es mit Kunst zu tun zu haben, bei der jemand
ästhetisch nachgedacht hat.
profil: Daher auch das
Interesse für Mode und Design? Krystufek: Ja, ich finde es spannend, sich einmal
nur mit Schönheit auseinander zu setzen. Was mich an der Mode vor
allem fasziniert, ist ihre Unmittelbarkeit. In Paris etwa habe ich
stärkere Reaktionen auf meine Kleidung als auf meine Arbeit
gekriegt. Der Körper ist der unmittelbarste Ort, sich auszudrücken.
Hier kann man Botschaften relativ einfach transportieren.
profil:
Das Konzept, als Künstlerin auch im Alltag etwas von dem
darzustellen, was einen in seiner Arbeit bewegt, ist kein ganz
neues. Krystufek: Bei mir geht das
aber mittlerweile stark auseinander. Ich habe mich sozusagen von mir
selbst entfernt. Ich lebe in meinem Alltag ein Leben mit ganz
anderer Optik und anderen Interessen. Ich schätze auch die
Möglichkeit, mich durch eine Stadt bewegen zu können, ohne etwas
Bestimmtes zu tun zu haben und ohne jemand Bestimmter zu sein.
Irgendwas zu sein. Ich finde es befreiend, meine beiden Existenzen
auseinander zu halten.
profil: Ihrer Arbeit
liegt auch ein Spiel mit Tabus zugrunde, mit sexuellen und
moralischen Grenzen. Ist das Tabu für Sie überhaupt eine
Kategorie? Krystufek: Nein, ich
habe immer eher mit Dingen gearbeitet, die mir begegnet sind. Später
habe ich dann begonnen, bewusst auch zu steuern, was mir begegnet.
profil:
Das heißt, Sie nehmen das Auffällige oder Schmerzhafte auf und
spiegeln es in Richtung Publikum zurück? Krystufek: In dem Sinne war mir auch die Theorie
letzthin am wichtigsten: der Versuch, zu beschreiben und zu
verstehen, was passiert – und eine Distanz zu finden über die
Sprache. Ich frag mich auch immer, wieso man so viel aufnehmen
können sollte. Es reicht ja eigentlich schon, in Hotelzimmern das
Kabelfernsehen einzuschalten: Das Spektrum, mit dem man sich da
konfrontiert sieht, ist an sich schon enorm.
profil: Die
Fernsehbilder liefern etwas ganz Ähnliches wie die Gegenwartskunst,
nur völlig ungeordnet. Krystufek:
Bei mir gibt es Ordnung ja auch nur in den Ausstellungen. Der Ort,
von dem meine Arbeiten kommen, sieht völlig anders aus. Dort gibt es
keine weißen Wände, dort liegt alles übereinander geschichtet.
Insofern sind Ausstellungen für mich auch speziell anstrengend, weil
es so viel Raum gibt und so viele Objekte, die darin geordnet werden
müssen.
profil: Und zu viele weiße Wände? Krystufek: Die Diskrepanz zu meinem eigentlichen
Leben ist eben sehr hoch. Das ist auch eine Form der Anpassung; ich
würde die Arbeiten bei mir daheim nie so hinhängen. Aber würde man
die Bilder in den Museen einfach so an die Wände lehnen oder in den
Raum stellen, so wäre wohl auch das wieder missverständlich, würde
als Trash aufgefasst werden. Es ist immens schwierig, mit Kunst
umzugehen.
profil: Woraus entsteht Ihre Arbeit? Gibt es Einflüsse, die
so konkret sind, dass man sie nennen könnte? Krystufek: Ich habe unlängst, in den Uffizien, die
Porträtmalerei des 14. Jahrhunderts neu entdeckt – und dabei etwas
gesehen, das auch bei mir ständig vorkommt: die Ungleichheit der
Augen. So was löst dann gleich ein Gefühl der Verbundenheit aus.
Grundsätzlich interessiert mich in erster Linie die Jugendkultur,
derzeit etwa die Death-Metal- und Gothic-Szene. Die entsprechenden
Outfits sind überaus spannend: dieser Hang, sich so stark zu
dekorieren, mit Ornamenten auszustatten.
profil: Gehört es denn
zu Ihren Utopien, möglichst klare, unmittelbar zugängliche Kunst zu
machen? Krystufek: Die Rezeption
meiner Arbeit befriedigt mich nicht. Ich hab sehr oft den Eindruck,
missverstanden zu werden, dass man vor allem ästhetische Aspekte
stets übersieht. Kaum jemand schreibt über die formalen Seiten, über
die Machart der Bilder und Objekte. Ich würde gern mal einen richtig
trockenen Text zu meiner Kunst bekommen, eine Analyse über Farbe,
Komposition und Material. Stattdessen ist immer nur von Skandal und
Provokation die Rede.
profil: Geht es bei
Ihnen denn noch um Geld? Krystufek: Ich habe manchmal die Utopie,
finanziell so weit abgesichert zu sein, dass ich mein ganzes Leben
lang nicht mehr arbeiten müsste. Ich stelle mir vor, daraus ein ganz
anderes Freiheitsgefühl ableiten zu können. Wie es jetzt ist, könnte
ich mir wahrscheinlich erlauben, ein paar Jahre nicht zu arbeiten.
Und es ist ja auch so, dass man, um überhaupt Kunst produzieren zu
können, viel mehr Geld braucht.
profil: Wäre es denn
wünschenswert, jahrelang nicht mehr zu arbeiten? Krystufek: Ich habe im letzten Jahr oft darüber
nachgedacht, wie das wäre, wenn ich aufhören würde. Wenn man nun
aber Künstlerbiografien liest, stellt man fest, dass nicht einmal
ein früher Tod das jeweilige Werk beendet. Man fragt sich, wozu man
sich anstrengt und all die Jahre arbeitet, wenn Leute, die früh
zugrunde gehen, weiterhin Ausstellungen haben. Man fragt sich auch,
welche Rolle man noch spielt. Wenn man ein paar Jahre lang
gearbeitet hat, existiert ein Werk auch von selbst weiter. Ich
zweifle immer mehr an der Notwendigkeit der persönlichen
Anwesenheit.
Interview: Stefan
Grissemann; Foto: Manfred Klimek