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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
09.08.2002
19:07 MEZ
Service
The Collector's Choice,
Neue Galerie,
Sackstr. 16,
8010 Graz,
Tel. 0316/829155,
Neue Galerie;
bis 25. 8.

von Ulrich Tragatschnig

 
Nicht ohne meinen Ankaufsberater
Porträt: Rechtsanwalt Ernst Ploil sammelt internationale moderne Kunst

Die Neue Galerie in Graz zeigt Teile der Sammlung Ploil, internationale Kunst seit 1950, die dem Haus als Leihgaben zur Verfügung stehen. Von Malerei hart an der Grenze der Malerei, Marke Ad Reinhardt oder Arnulf Rainer, über die konzeptuellen Tendenzen einer kontextkritischen Kunst der 60er- und 70er-Jahre (beispielsweise eines Daniel Buren) bis hin zum kunstmarktkritischen Scharfstellen der Kamera auf die neben den Meisterwerken hängenden Auktionshausetiketten bei Louise Lawler reicht die Palette des Gezeigten.

Dazwischen viel postmoderne Malerei "nach der Malerei", Analytisches, Interventionistisches, Kunst auch, die noch vor kurzem noch keinen Wert hatte. Nächstes Jahr soll die Auswahl um die Bestände der Neuen Galerie zu einer noch opulenteren Schau erweitert werden.

In der Kanzlei des Wiener Rechtsanwalts Ernst Ploil steht Jugendstilmobilar vom Feinsten, an den Wänden hängt Namhaftes der letzten fünfzig Jahre - nicht zusammengekratztes Resultat bemühter Kunstbeflissenheit, sondern aus reichem Fundus geschöpfte Momentaufnahme: "Wenn ich Zeit habe, schnappe ich mir irgendwelche Bilder, die mir momentan zusagen und zueinander passen, und hänge um. Würde ich das Zeug weghängen, würden Sie dahinter unzählige Löcher sehen."

Seit 30 Jahren sammelt Dr. Ploil, seines Zeichens auch für den Bereich Jugendstil bei den privaten "Wiener Kunst Auktionen" tätig. Zunächst galt seine ausschließliche Leidenschaft dem Kunstgewerbe. Eine sich an enzyklopädischen Maßstäben messen wollende Sammlung von Vasen der vorletzten Jahrhundertwende hatte er schon zusammengetragen, als er sein Interesse auch auf die Kunst der eigenen Zeit hin ausdehnte. Beide Steckenpferde werden von ihm mühelos vor denselben Karren gespannt: "Mich interessiert jede Kunst. die zu ihrer Zeit für die Zukunft maßgeblich war. Die Arbeiten von Hoffmann, Moser und der Wiener Werkstätte haben nachhaltig beeinflusst, genauso wie die amerikanische Malerei der 50er-Jahre." Und auch thematisch knüpfen sich gewisse Parallelen. Im ornamentlosen, auf stereometrische Grundprinzipien reduzierten Stil bzw. in der Reduktion auf das vermeintlich Wesentliche.

Erst in Vorbereitung der Grazer Ausstellung habe er gemerkt, wie zeitlich nahe beispielsweise die Malerei eines Arnulf Rainer dem amerikanischen Expressionismus sei. Seine Bestände an Nachkriegsavantgarde und Neo-Avantgarde will Ploil streng genommen gar nicht als "Sammlung" bezeichnen: "Ich wollte nie eine Sammlung haben. Es ergibt sich ganz einfach, dass, wenn man Stück für Stück kauft, einmal alle Räume voll sind, und andere dann 'Sammlung' dazu sagen. Den Anspruch habe ich nie erhoben. Ich habe die Dinge gekauft, die mir gefallen haben".

Etwas deprivativer könnte man auch von einer Ansammlung sprechen. Mit der Sammlung Essl beispielsweise könne die seine schon vom Volumen her nicht verglichen werden. Auch strebe er den Kontakt zu den Künstlern nicht übertrieben an: "Für mich definiert sich ein Kunstwerk aus sich selbst heraus. Ich suche nicht unbedingt die Erklärungen der Künstler. Ich suche nicht diese Freundschaften."

Gekauft wird in Galerien und auf Auktionen - dann meist per Katalog: "Es ist sehr spannend um vier Uhr früh im Büro zu sitzen und mit einem Auktionshaus an der amerikanischen Westküste zu telefonieren, weil die dort irgendwelche tollen Dinge versteigern."

Auf bestimmte Ankaufsberater legt er wohl Wert. Von ihnen hat er sich schon so manches einreden lassen, bei dem er sich selbst nicht sicher war. Man müsse sich eben auch manchmal selbstkritisch vor dem eigenen Geschmack hüten. Sammlungs- (nicht ansammlungs-)typisch ist Ploils Algorithmus zur Errechnung des Erfolges: Taube Nüsse kaufe man auf jeden Fall. Wenn die letztlich bloß 40 Prozent ausmachten, habe man schon mit Weitsicht gesammelt. Ploil: "Es wäre gelogen, würde ich behaupten, die pekuniäre Entwicklung meiner Kunstwerke sei mir wurscht. So überheblich bin ich nicht."

An der zuletzt bei Boris Groys unter Verdacht geratenen Wertsteigerungsfunktion des "Archivs" erkennt Ploil durchaus Zweischneidiges: "Wenn man mit einer Sammlung an die Öffentlichkeit geht, führt das natürlich auf der einen Seite zu dem gewollten Effekt, dass die Sammlung wertvoller wird, aber es führt natürlich auch zu einer Preisentwicklung nach oben", und die könne ihm, der nicht verkaufen, sondern seine Bestände weiter verbessern wolle, schrecklich auf den Kopf fallen. Denn Vieles werde auf diese Weise unerschwinglich.

Neidvoll blickt Ploil auf die Budgets, die manchem jenseits des Atlantiks für Kunstankäufe zur Verfügung stünden. Hier schließen sich schmunzelnd Zukunftswünsche an: "Am liebsten würde ich meine ganze Umgebung mit Mondrians und Rothkos auskleiden, aber ich fürchte, es wird nie auch nur für einen reichen."


(DER STANDARD, Printausgabe, 10.8.2002)

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