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Fernando Botero

Schmerzensmänner mit politischem Gewicht

11. Oktober 2011 18:21
  • Artikelbild: Gepeinigt und gedemütigt:"Abu Ghraib 47"  (2005)."Diese Bilder 
resultieren aus der Empörung, die die Gewalt im Irak in mir und dem Rest
 der Welt ausgelöst hat", so Fernando Botero. - Foto: Bank Austria Kunstforum

    Gepeinigt und gedemütigt:"Abu Ghraib 47" (2005)."Diese Bilder resultieren aus der Empörung, die die Gewalt im Irak in mir und dem Rest der Welt ausgelöst hat", so Fernando Botero.

Im Kunstforum kann man hinter das Klischee von Fernando Boteros lustig-korpulenten Figuren blicken: Neben der Faszination der Fülle zeigt der kolumbianische Künstler im Abu-Ghraib-Zyklus seine politische Seite

Wien - Altersmilde? Davon ist Fernando Botero weit entfernt. Ganz im Gegenteil. Der 79-jährige Meister der drallen Leiber und üppigen Formen ist im Spätwerk politischer denn je. "Manchmal muss man sich davon verabschieden, dass Kunst dazu da ist, Freude zu bereiten" , sagt der Künstler, dessen Arbeit sich als eine Mixtur zwischen naiver Malerei eines Henri Rousseau, lateinamerikanischer Volkskunst und den alten Meistern präsentiert. Botero, das illustriert die Retrospektive im Kunstforum vor knalligen brombeerfarbenen und pfefferminzgrünen Hintergründen, malt den Stierkampf, das katholische Lateinamerika oder seine eigene Version der europäischen Kunstgeschichte: aufgeblähte Paraphrasen etwa zu Degas' Badenden oder den Infantinnen von Velazquez.

"Manchmal muss Kunst jedoch Anklage sein" , kommentiert er im Standard-Gespräch die Bilderserie zu Abu Ghraib, die in den USA tabuisiert wurde: Geschundene Schmerzensmänner mit Kapuzen über dem Kopf, blutend und mit groben Stricken zusammengezurrt oder aufgehängt, füllen seine Leinwände und Triptychen. Auch hier finden sich die überzeichneten Proportionen, Boteros wie aufgeblasen wirkende Körper.

Die Kritik reagierte zwiespältig. "Plump und aufgesetzt" , schimpfte die Süddeutsche. Ebenso wie Die Zeit kritisierte man, dass die "lebensfrohen, bacchantischen Gestalten" für das Thema unpassend seien. Botero geriet in die Nähe des Verdachts, Gräuel und Gepeinigte als Requisiten auszunutzen, um das eigene Werk zu adeln.

Dem ist fragend entgegenzuhalten, ob es Boteros Glaubwürdigkeit gehoben hätte, wenn er seinen in den 1950er-Jahren entwickelten Stil für die Folterszenen verleugnet hätte? Hätte er damit nicht das "Volumetrische" seiner Handschrift als unzulänglich, weil "komisch" akzeptiert? Es sei doch merkwürdig, findet Botero, wenn die Menschen dünne Männer traurig finden, eine beleibte Lady sie hingegen lächeln macht.

Es sind auch keine Rubens-Figuren, die seine Bilder mit den satirischen Seitenhieben auf die Bourgeoisie bevölkern. Bei Rubens seien einzig die Frauen so beleibt. Er selbst behandle alle gleich - die menschliche Figur genauso wie das Obst im Stillleben, den Baum oder das Tier.

Nicht Fett, sondern Volumen

Nichts davon sei fett, sondern eben voller Volumen. Das sei für ihn in der Kunst wichtig, vermittle Sinnlichkeit und Plastizität - und eben auch ein Wohlgefühl. Letzteres ist zusammen mit Humor so etwas wie Boteros Geheimwaffe, um die Betrachter zu knacken: "Das ist wie eine kleine Tür, die man öffnet, damit sich der Betrachter auf das Bild einlässt."

Womöglich ist auch der Blick auf die Tortur der Unschuldigen im Irak so besser zu ertragen. Man dürfe sich nicht einbilden, mit einem Bild irgendwas ändern zu können, aber es hat die "Kraft zu erinnern" . Ohne Picassos Guernica, ist Botero überzeugt, wäre die Stadt eine Fußnote im Spanischen Bürgerkrieg geblieben. Den Bürgerkrieg in seiner Heimat Kolumbien, Drogenbosse und detonierende Autobomben setzte Botero 2004 ins Bild, weil er den "Wahnsinn" nicht mehr ignorieren konnte. Als im selben Jahr die Folter in Abu Ghraib aufgedeckt wurde, "war ich so wütend und enttäuscht" . Die mehr als 50 Bilder, die dann entstanden, wollte kein Museum in den USA zeigen. Die liberale Universität von Berkeley machte den Anfang. Aus Dankbarkeit schenkte Botero ihr fast den kompletten Zyklus. "Aus solchen Bildern darf man keinen Profit schlagen" , sagt er. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe 12. Oktober 2011)

Bis 15. 1. 2012

12.10.2011 03:19
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Kunst ist Kunst und Botschaft ist Botschaft.

johann weissmueller
11.10.2011 22:00
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klasse!!!!!!!!!!!

11.10.2011 23:11

Seine Haltung schon...

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