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Kunstberichte

Melancholie und Verfall

Secession: Installationen von Isa Genzken, Filme von David Lamelas
Illustration
- Die Installation von Isa Genzken in der Secession reagiert auf das Umfeld des Raumes.  Foto: Secession

Die Installation von Isa Genzken in der Secession reagiert auf das Umfeld des Raumes. Foto: Secession

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Isa Genzken, aus der Generation Blinky Palermos und wie er ebenso von der Akademie in Düsseldorf kommend, hat sich dem Bruch mit der maskulinen Geometrie der Minimal-Art verschrieben. Ihre extra für die Secession entwickelte Installation ist bunt, chaotisch, aber auch melancholisch. Der Hauptraum des Hauses ist von einer großen Gruppe von Rollstühlen, Kleinmöbeln, Puppen und Collagen besetzt. Doch statt der Freude über diese bunte Invasion kommt eher ein Gefühl von Brüchigkeit unseres Daseins auf. Vielleicht weil der Appell an ein soziales Gewissen nicht mit dem Zeigefinger passiert, sondern auf eine vor allem die Bedingungen der Kunst auslotende Weise.

Die Wandcollagen aus Spiegelfolien und anderen Materialien aus dem Baumarkt sind auch mit Abbildungen der Kunstgeschichte versehen: da tauchen berühmte Ikonen wie die Mona Lisa von Leonardo, Vermeers holländische Interieurs und Botticellis versammelte Heilige auf; Farbspuren rinnen über die Szenerie wie über ihre scheinbar beweglichen Skulpturen, Klebestreifen und teils zerfetzte Sonnenschirme sind die häufigsten Elemente.

Jackson Pollocks Farb-Dripping-Methode verbindet sich dabei als ein weiterer chaotischer Faktor mit der Assoziation auf eine Wiener Spezialität: Die Hysterie. So ist die lokale historische Beziehungsebene zu der Zeit, in der die Architektur der Secession entstanden ist, ebenso enthalten. Vielschichtigkeit ist neben dem Chaos und dem Aufzeigen von Brüchen denn auch eines der wesentlichen Credos von Genzken.

David Lamelas’ Arbeiten

Im Grafischen Kabinett und in der Galerie hat der aus Buenos Aires stammende David Lamelas seine früh gefeierten Wandlungen des Skulpturenbegriffs aus der gleichen Generation (geb. 1946) mehr vom Standpunkt eines ewig Reisenden thematisiert. Während er einen architektonischen Keil von unbeschreiblicher Schönheit aus weißem Mauerwerk (aus Holz gefertigt und bestrichen) durch die Galerie zieht, gilt seine Leidenschaft sonst dem Film. Langsamkeit, Stille und Immaterialität sind dabei kaum mehr zu überbieten.

Zur Architekturintervention ist der unbewegte Horizont des morgendlichen Ozeans in Los Angeles zu sehen. Trotzdem vermeidet auch er jeden moralischen Aspekt in seiner Analyse des Kunstbetriebs. 2002 bis 2005 hat er den Film "The Light at the Edge of a Nightmare" für einen Dunkelraum in London, Paris, Berlin, Buenos Aires und Los Angeles entwickelt. Dieser Film Noir folgt dem Konzept eines urbanen Rasters: Fünf nächtliche Episoden, die zur wiederkehrenden Metapher für die Betrachter werden. Kino, einmal ohne das Versprechen "unter Sternen" abzulaufen.

Isa Genzken und David

Lamelas

Kuratorinnen: Annette

Freudenberger und Melanie Ohnemus

Secession

Bis 10. September

Bizarre Stille.

Donnerstag, 06. Juli 2006


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