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08.02.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
" . . . und auch nicht der Todesstern"
VON JENS E. SENNEWALD
Frankreich. Das renovierte Musée d'Art moderne de la Ville de Paris verspricht viel.

D
er neoklassische Bau öffnet sich zur Seine hin. Wer sich zwischen Ska tern und tosendem Verkehr auf einer der Terrassen niederlässt, hat einen unvergleichlichen Blick auf den Eiffelturm und fühlt: Das ist Paris! Hinter den Mauern des zweiflügligen Gebäudes pulsieren die Kunst-Adern der Stadt. Über zwei Jahre hatten die Besucher nur die Hälfte des Vergnügens. Wegen Überholung der Sicherheitsmaßnahmen war der Ostflügel geschlossen.

Nun sind seine 19.000 Quadratmeter renoviert, für 15 Millionen Euro. Viel davon zu sehen ist nicht, es waren Sicherheitsrenovierungen des Hauses, das 1937 von der Stadt Paris und dem französischen Staat zur Weltausstellung errichtet wurde und einem Doppelmuseum Raum bieten sollte. Doch erst 1961 konnte im Ostflügel das Musée d'Art moderne de la Ville de Paris eröffnen.

Jetzt steht die neu geordnete Sammlung der Moderne - 8000 Werke, überwiegend der Fauve, der Kubisten und Post-Kubisten - in alter Größe da. Strahlender als zuvor erscheint der Dufy-Saal mit dem 1937 gemalten Fresko "Fée Electricité", das sich in der Kuppel über 390 Quadratmeter bis zu 10 Metern Höhe erstreckt. Im Keller gibt es einen neuen "Schwarzen Saal" für Film und Video, im neu eingerichteten Café kann man sich erfrischen. Die Renovierung ist gelungen, die beiden Ausstellungen, mit denen sie zelebriert wird, sind es auch.

"Celebration Park" nennt Pierre Huyghe sein Projekt, das in zwei Phasen eröffnet wird. Der Prolog, der bis 26. Februar zu besuchen ist, lässt ahnen, dass der Meister der Inszenierung und der Dekonstruktion filmischer Erzählwelten in der eigentlichen Ausstellung vom 10. März bis 23. April den ganzen Reichtum seiner Arbeit entfalten wird. "Mir gehört nicht das Musée d'Art moderne und auch nicht der Todesstern" steht in Neonschrift an der Wand, und beim Rundgang unterstreichen weitere "Disclaimer" Huyghes Anspruch, nicht Eigentümer des kulturellen Erbes zu sein, mit dem er arbeitet.

Am Ende kommt eine angelehnte, überdimensionierte Tür. Blickt man durch den Spalt, liegt im Halbdunkel eine Marionette, ein Porträt des Künstlers selbst. Der Besucher wird entführt in eine magische Welt, man spürt, dass dieser "Celebration Park" keine einfache Reverenz an die Weltausstellungsgeschichte sein wird. Pierre Huyghe lotet die Grenzen des Ausstellungsbetriebes und der Imaginationen aus, die wir mitbringen.

Das ist genau die richtige zeitgenössische Fortsetzung nach dem Besuch der großen Pierre-Bonnard-Schau im Erdgeschoß. Hier kann der Besucher durch eine kluge Hängung nach Themenfeldern den Reichtum eines Malers der Moderne entdecken, der allzu oft in die Ecke des späten impressionistischen Aktes geschoben wurde. Sicher, auch die bekannten Akte und Landschaften von Bonnard sind zu sehen, doch gibt es dazwischen kleine Arbeiten, wie das "Stilleben vor dem Fenster" von 1931, das den Maler als Meister der Perspektive zeigt. Andere Bilder, wie die Serien des Akts in der Badewanne (1920 bis 1940 entstanden), zeigen Bonnard als Forscher an der Form und erneut als einen Modernen, dessen Auslotung des Bild-Raumes bis heute höchst aktuell ist.

Aktualität vor historischem Hintergrund - das ist die Stärke des Musée d'Art moderne de la Ville de Paris, das damit hervorragend das erst vor vier Jahren im Westflügel eröffnete "Palais de Tokyo - site de création contemporaine" ergänzt, wo die Hyper-Zeitgenössischen ihre bunten Ausstellungen feiern. Gerade wurde hier der Direktor gewechselt und auch das Musée d'Art moderne de la Ville de Paris erlebt personelle Veränderungen. Suzanna Pagé, die erfolgreiche Direktorin, wird ausscheiden und mit ihr, so sagt man, wird Über-Kurator Hans Ulrich Obrist gehen, um Direktor der Londoner Serpentine Gallery zu werden. Gut, dass man noch mal die Energie des alten Teams genießen kann.

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