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Galerien in Wien: Plädoyer für die Entrechteten

05.03.2008 | 18:16 | NICOLE SCHEYERER (Die Presse)

Fotos von A. Geyer aus Reservaten und aus New York bei Hohenlohe.

Ein langer Gang, Landschaftsfotos vom amerikanischen Westen und jede Menge Text: Auf der letzten Documenta überforderte die Serie „Spiral Lands“ von Andrea Geyer den im Stehen lesenden Betrachter. Nun ist ein kleiner Ausschnitt aus der Recherche über die Ureinwohner Amerikas in der Galerie Hohenlohe zu sehen. In ihrer klassischen Machart erinnern die S/W-Fotos an die Frühzeit des Mediums. Die Präsentationsform, die je zwei Aufnahmen – oft von nur leicht verrückten Standpunkten aus – mit einem Text elegant im Rahmen verbindet (4800€), mahnt an US-Fotobände der Dreißigerjahre. Die 1971 in Freiburg geborene Künstlerin erzählt von einer Reise, die sie in Indianerreservate geführt hat.

Geyer berichtet vom Kampf der Native Americans um ihre territorialen Rechte. Bei erhabenen Landschaften handelt es sich um umstrittene Gebiete, an die eine verschwindende Kultur geknüpft ist. Die Texte schildern die Problematik der nichtkodifizierten Indianersprachen, der Zerstörung von Kultstätten und der Umwelt in den Reservaten. In der Dia-Installation, extra für Wien entwickelt, geht Geyer der Rolle von Wissenschaftlern beim Kampf um Land und kulturelle Identität nach.


Protest der Frauenrechtlerinnen

Während die Indianer ausgerottet wurden, schufen Bildhauer in den Städten Allegorien für Gerechtigkeit und Freiheit. In der zweiten Serie verarbeitet Geyer das Schicksal von Audrey Munson. Sie stand ab 1906 für neoklassizistische Skulpturen und Gemälde Modell. Als zeitlose Schönheit schmücken ihr Körper und die ebenmäßigen Züge ihres Gesichts noch heute viele New Yorker Bauten. An solcher öffentlichen Kunst zogen auch die Demonstrationen von Frauenrechtlerinnen vorbei, die für Wahlrecht und gegen den Frieden protestierten. Sehr gelungen wird Munsons Biografie mit der Frauenbewegung verbunden: Motive historischer Fotos wurden in die Glasplatten graviert, die in der Galerie die Bilder der Skulpturen Munsons rahmen (2200€). Hinzu kommen Fotos von Bäumen, die die Künstlerin vor der psychiatrischen Anstalt fotografiert hat, in der Munson 1996 starb. Geyers politische Kunst ergreift für Entrechtete Partei, rüttelt am US-Gründungsmythos, macht es sich aber bei der Identifikation von Gut und Böse zu leicht. Bis 5.4., Bäckerstr.3, Tel.: 512-97-20

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2008)


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