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vom 30.12.2005 - Seite 002
Erregung über EU-Sex-Plakate endet mit einem Rückzieher

WIEN. Zwei provokante EU-Plakate sind dank der Entrüstung im Kleinformat sowie bei SP und FP zum politischen Streitthema geworden. Die Sujets wurden mittlerweile zurückgezogen.

VON LUCIAN MAYRINGER

Schon im Verlauf des Jubiläumsjahres hat die Projektreihe "25 Peaces" des Öfteren für - allerdings unspektakuläre - Kritik gesorgt. So bemängelte die Opposition die angebliche Regierungsnähe der beiden Initiatoren, des "Graz 2003"-Gestalters Wolfgang Lorenz und des Bundestheater-Holding-Chefs Georg Springer. "25 Peaces"-Aktionen wie die Bombennacht-Lichtinstallation oder die "Einmauerung" der Heldenplatz-Denkmäler sorgten auch in der Bevölkerung für zwiespältige Reaktionen.

Wirkliche Aufregung gibt es aber erst, seit in Wien zwei Plakate hängen: Auf dem einen sind drei nackte Darsteller mit Masken von George W. Bush, Queen Elizabeth II. und Jacques Chirac in Sexpose zu sehen, auf dem anderen eine nur mit blauem EU-Slip bekleidete Frau.

Die Vorwürfe reichen seither vom Imageschaden für die österreichische EU-Präsidentschaft über Pornografie, Frauenfeindlichkeit und Sexismus bis hin zur Verschwendung von Steuergeld.

Letzteres dient der SP als Argument für Kritik an der Regierung. Klubobmann Josef Cap legte am Donnerstag die Kopie eines Fördervertrages vor, wonach das Kanzleramt 500.000 Euro für die "Porno-Plakate" zugeschossen haben soll. Aus dem Büro von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (VP) hieß es dazu: Die Finanzierung sei über Sponsoring der ÖIAG erfolgt. Schüssel selbst distanziere sich von den Plakaten. Wobei für das Gesamtprojekt "25 Peaces" eine Million Euro vom Kanzleramt und neun Millionen von privaten Sponsoren gekommen sind.

Dass das vehemente Auftreten der SP schwer mit deren bisheriger Rolle als Verfechterin der Freiheit der Kunst vereinbar sei, wollte Cap nicht gelten lassen, denn es gehe um eine "Marketingkampagne des Kanzlers". Noch heftiger fiel die Kritik der FP aus, die Schüssel und Springer zum Rücktritt aufforderte.

Die hitzige innenpolitische Debatte und großteils hämischen Kommentare in zahlreichen internationalen Medien haben noch Donnerstagabend das "25 Peaces"-Kuratorium zum Handeln veranlasst. Die Werke des spanischen Künstlers Carlos Aires ("Bush -Queen - Chirac") und seiner serbischen Kollegin Tanja Ostojic ("EU-Slip") werden entfernt. Womit bei der zweiten Station der Schau in Salzburg noch 146 Plakate von 73 Künstlern aus ganz Europa gezeigt werden.

"Die Pornografie liegt in den Augen jener, die sich das anschauen."

CARLOS AIRES,

Künstler, über die Reaktionen auf sein Plakat

"Themenverfehlung"

FRANZ MORAK,

Kulturstaatssekretär (VP), über die als EU-Werbeprojekt geplante Aktion.

Darf nicht mehr gezeigt werden Foto: Reuters

Der Rückzieher

Die "Polemiken und Unterstellungen sowie die Nichtbereitschaft der Öffentlichkeit, sich inhaltlich mit den künstlerischen Aussagen zu beschäftigen", haben die Künstler zu ihren Reaktionen veranlasst. So die Begründung des "25-Peaces"-Kuratoriums für den Rückzug der zwei Plakate. Wobei Ostojic danach von "öffentlicher Zensur" sprach.


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