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Aktionsforum Praterinsel,
Wurzelkeller München 17.3.2001 - 21.4.2001
Wo entstehen in Deutschland rassistische
Vorurteile? Kurator Rafael von Uslar assoziiert damit den Stammtisch
im Wirthaus. Für seine Ausstellung zum Thema »Multikulturalismus und
Rassismus« suchte er deshalb nach einer Architektur, die sowohl an
ein Gasthaus erinnert als auch zur Präsentation von Kunst geeignet
ist. Schließlich fand er sie mit dem Münchner Wurzelkeller, einem
erdgeschossigen Saal auf der Praterinsel, der durch seine gewölbten
Decken und sein trutziges Aussehen als bierhallentauglich gelten
kann. Doch damit nicht genug: Volksmusik, eine Ausschank, Brezeln,
Bierbänke und -tische auf Holzböden ergänzen dieses für
zeitgenössische Kunst ungewöhnliche Ambiente. Im Vergleich zu
anderen Ausstellungen mit ähnlicher Thematik erweist sich »Blondies
+ Brownies« mit dem Untertitel »weiß weiß bin auch ich« als weniger
projektorientiert. Im Zentrum stehen fotografische und zeichnerische
Werke sowie Gemälde und Grafiken, nicht selten von berühmten Namen
wie Andy Warhol, Hans-Peter Feldmann, Jenny Holzer oder Raymond
Pettibon. Von Tracey Moffatt wird neben Foto-Text-Arbeiten das Video
»Lip« (zusammen mit Gary Hillberg produziert) gezeigt, in dem Szenen
aus Hollywoodfilmen mit afro-amerikanischen Schauspielerinnen, die
fast ausschließlich Hausangestellte darstellen,
aneinandergeschnitten sind. Zu den Exponaten gehören auch Arbeiten,
die als eher marginal für das Œuvre von KünstlerInnen anzusehen sind
und nur durch eine ausgesprochen gründliche Recherche in diese
Ausstellung gekommen sein müssen. Eine Künstlerin, mit der man auch
nicht sofort antirassistisches Engagement verbindet, ist Candida
Höfer. Von ihr ist die nur wenig bekannte, Ende der siebziger Jahre
entstandene Fotoserie »Türken in Deutschland« zu sehen. Darin
dokumentiert sie die Lebensverhältnisse der ersten Generation,
sowohl am Arbeitsplatz als auch zuhause. Zudem erhielt sie den
Auftrag, die Fotos für den Katalog herzustellen. Sie bildet die
ausgestellten Werke nie neutral, sondern stets als Inventar von
Gasthäusern ab. Bereits der Titel »Blondies + Brownies«, der auf
amerikanische Backwaren verweist, demonstriert Höfers Einsatz von
Ironie. Tatsächlich arbeiten viele TeilnehmerInnen dieser
Ausstellung mit der Überzeichnung vorhandener Klischees. So
beschreibt LeRoy »King of Art« in einer Collage aus der Serie
»Letters of a Sycaphant« (1996) die besondere sexuelle
Anziehungskraft der Black Panther. Mit nachträglich dunkel
kolorierten Postkarten der Jahrhundertwende entwerfen Geoffrey
Hendricks & Sur Rodney eine Familiensaga, »A family tree
revealed …« (2000) – um einen schwarzen Adoptivsohn einer deutschen
Adelsfamilie. Gänzlich sarkastisch angelegt ist das
»Migrationsspiel« von Antonio Riello. In seinem Computergame
»Italiani Brava Gente« sollen die Spieler albanische Flüchtlinge mit
Waffengewalt daran hindern, das italienische Festland zu erreichen.
Nur durch das ungewöhnliche Design und in der Wortwahl ist es von
entsprechenden rechtsradikalen Shootern zu unterscheiden. Auffallend
ist die männlich-homosexuelle Akzentuierung der Ausstellung, was den
relativ geringen Anteil von Künstlerinnen erklären mag. Die
Performance »Negerhosen 2000« des aus der Karibik stammenden Jn.
Ulrick Défert überzeichnet auf karnevaleske Weise Bemühungen der
Assimilation. Er schlüpft in eine kurze helle Lederhose, so als wenn
er sich die Haut eines Weißen überziehen würde. Damit praktiziert
der Künstler einen Exotismus mit umgekehrten Vorzeichen. Er bedient
sich der Stereotypen europäischer und deutscher Kultur und stellt
diese auf ungewöhnliche Weise neu zusammen. In der Performance, die
er bereits in verschiedenen deutschen Städten zeigte, wird sein
Körper zum Träger dieser hybriden Struktur. Bei seinem Auftritt im
Café des Münchner Stadtmuseums ist er mit verschiedenen
»folkloristischen« Elementen ausgestattet. Auf seinem Rücken trägt
er ein Geweih, um seinen Hals einen Bayern München-Fanschal und auf
dem Kopf einen Trachtenhut mit weißer Blume. Jn. Ulrick Défert
posiert als Living Sculpture auf einer Leiter sitzend mitten im
Raum. Zu Beginn ertönt Marlene Dietrichs »Von Kopf bis Fuß auf Liebe
eingestellt«, sodann Live-Kommentare eines Fußballspiels und danach
musikalische Huldigungen auf den Club Bayern München. Als Ergänzung
zur Performance wollte der Künstler eine Münchner Brauerei dafür
gewinnen, von ihm gestaltete Bierdeckel herzustellen. Einer sollte
den Titel »Weltbürger« tragen und den Kopf des Künstlers im
Trachten-Outfit, umrandet von einem Zitat aus Goethes »Faust«,
zeigen. Défert artikuliert hier die Idee des Kosmopolitischen als
zeitgemäße Antwort auf Globalisierungsprozesse. Der andere Entwurf
ist provozierender und macht erklärbar, warum bis jetzt keine
Brauerei sein Konzept realisieren wollte. Das Foto in der Mitte
zeigt ihn vor gotischen Altarfiguren stehend, überdruckt mit dem
Begriff »Exotik«. Der Text am Rand stammt diesmal von der
afro-deutschen Autorin May (Opitz) Ayim, die sich im selben Jahr in
Berlin das Leben nahm, als er in dieser Stadt von Rassisten
attackiert wurde: »Nachdem sie mich erst anschwärzten, zogen sie
mich dann durch den Kakao, um mir schließlich weiß machen zu wollen,
es sei vollkommen unangebracht schwarz zu sehen.« Aus diesen Motiven
und Texten stellte Jn. Ulrick Défert in der Kantine der Praterinsel
ein riesiges Leuchtbild her, das auf den ersten Blick an farbige
Glasgemälde in Kirchen erinnert. Erst in dieser Größe wird die
Kombination aus einem Afrikaner in Lederhosen und deutschen
Altarfiguren zum extravaganten Monument aktueller kultureller
Konfrontationen.
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