Pavillon 21 Mini Opera Space

Don Giovanni und Hendrix im Eis

18. Juni 2010, 16:16

Kommenden Donnerstag eröffnet in München der temporäre "Pavillon 21 Mini Opera Space" . Coop Himmelb(l)au ließ die Musik erstarren

Es schnürlregnete an jenem bedeutungsvollen Montag, doch der Begeisterung des Auftraggebers tat dies keinen Abbruch. Nikolaus Bachler, einst Burgtheaterchef und nun Intendant der Bayerischen Staatsoper in München, erklomm wohlgelaunt das rote Trottoir, klopfte mit der Faust kräftig gegen das metallene Garagentor und schritt sodann durch das wohl modernste Theaterportal, das man im deutschsprachigen Raum je zu Gesicht bekam.

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"Seit dem 19. Jahrhundert wurde in München kein Neubau für darstellende Kunst mehr errichtet" , sprach er vor den Journalisten ins Mikrofon. "Nach 150 Jahren ist dies der erste zeitgenössische Impuls in diesem Kunstbereich. Das ist ein Schrei in Richtung Gegenwart." Neuinszenierungen und futuristische Bühnenbilder, das mache man als Intendant natürlich immer wieder, sagte Bachler. Doch im Grunde genommen, versicherte er, sei das nur ein Spiegel seiner Sehnsucht, endlich, endlich, endlich mal neu zu bauen.

Wie ein grantiger, zorniger Meteorit aus dem All schlug der temporäre Opernpavillon mitten auf den Marstallplatz ein. Die Reise aus der Zukunft war lang und eisig, denn die schroffen Kristalle haften dem Klumpen noch wochenlang an. Zwischen Nationaltheater und Leo von Klenzes klassizistischer, ehemaliger Hofreitschule setzte das Wiener Büro Coop Himmelb(l)au dieses silbergraue Gebilde, das vom 24. Juni bis einschließlich 25. Juli einen Monat lang einen Teil der Münchener Opernfestspiele beherbergen wird.

Die Zacke als akustischer Trick

"Das hat nichts mit Zukunft zu tun, das ist eine Architektur, die ihrer Zeit entspricht" , entgegnet der himmelblaue Pavillonerbauer Wolf D. Prix. "Aber natürlich war das ein herausforderndes Projekt, das nicht leicht zu planen war, weil es ein technisches Paradoxon birgt." Gemeint ist die Kunst der Töne: "Um eine gute Akustik hinzukriegen, braucht man normalerweise viel Masse. Ein mobiler Pavillon, der in kürzester Zeit auf- und wieder abgebaut werden muss und der noch dazu schalltechnisch perfekt ist - das ist ein Widerspruch in sich."

In Zusammenarbeit mit dem Londoner Akustikplaner Arup gelang die zackige Realisierung des Unmöglichen. Während der Aufführungsraum selbst - er fasst je nach Bestuhlung und Bestehung zwischen 300 und 700 Personen - eine einfache Black Box ist, kamen die rechnerischen Errungenschaften der Schalljongleure auf der Fassade zum Einsatz. Prix: "Der Raum bleibt dadurch simpel und flexibel, die Akustikpyramiden sind je nach Aufstellungsort adaptierbar, und natürlich trägt das auch zum Image des Gebäudes bei. Gerade bei einem temporären Bau wie hier muss man einprägsame Bilder erzeugen."

Und nein, die sonderbaren Aluminium-Spikes, die da nach allen Richtungen ragen, seien nicht nur Blickfänger, versichert Prix in seiner Ansprache. "Die haben auch eine Funktion!" Durch die eigens entwickelte Geometrie der Pyramiden wird der Straßenlärm an manchen Flächen absorbiert, an manchen reflektiert. Doch nicht nur der Lärm wird abgehalten, sondern auch die Bauteile selbst schwingen dadurch anders, was sich wiederum direkt auf die Akustik im Raum auswirkt.

"Wir haben einige Simulationen durchgeführt. Die Unterschiede waren eklatant." Die Inspiration für die eigenwillige Formensprache lieferte übrigens die Musik: Purple Haze von Jimi Hendrix sowie eine Passage aus Mozarts Don Giovanni wurden durch die Computer-Software gejagt und anschließend in eine geometrische Sprache verwandelt. Arthur Schopenhauers berühmter Ausspruch ist damit perfekt in Szene gesetzt: "Architektur ist gefrorene Musik." Eiskalt.

Schön und gut, doch für einen temporären Pavillon, der in einem Monat wieder Geschichte sein wird, ist der konzeptionelle und technische Aufwand doch recht mächtig, könnte man an dieser Stelle nun einwerfen. Hier kommt die Finanzierung ins Spiel: Die Baukosten von 2,1 Millionen Euro kommen zu einem Drittel vom Freistaat Bayern, zu einem Drittel aus dem Budget der Bayerischen Staatsoper sowie von kleineren Geldgebern und Sponsoren und zu einem Drittel vom Projektpartner BMW Group/Mini, die auch für den etwas sperrigen offiziellen Namen des Hauses verantwortlich ist: Pavillon 21 Mini Opera Space.

"Ich habe mit Public Private Partnerships, von denen alle Seiten profitieren, überhaupt kein Problem" , sagt Nikolaus Bachler zum Standard, "nicht in wirtschaftlich ausgewogenen Zeiten und schon gar nicht in der Krise." Ohne einen potenten Hauptsponsor sei das Projekt niemals zu schaffen gewesen.

Die Münchner selbst können davon nur profitieren: Neben den abendlichen Aufführungen im Rahmen der Opernfestspiele wird der Pavillon auch untertags und in der Nacht genutzt: Auf dem Programm stehen Tanzkurse, Gesangstunden und Yoga, an den Wochenenden verwandelt sich der Kunstraum in einen Clubbing-Tempel mit DJs aus aller Welt: Frankie Knuckles, Paul Oakenfold und DJ TBC. Highlight ist wohl das Mini-Autokino am 19. Juli, bei dem man sich - erraten - in bereitgestellte Minis setzen und der Filmkunst frönen wird.

Um die Baukosten langfristig wieder einspielen zu können, soll der Pavillon nach Abbau an Kultureinrichtungen und Kommunen weitervermietet werden. "Natürlich wird der Mini Opera Space nicht jeden Tag woanders stehen" , sagt Bachler, "das ist ein Gebäude und kein Zirkuszelt." Die ersten Interessenten stünden bereits auf der Liste: ein Designfestival in London, eine Messe in Paris, das Theater in Augsburg.

Der Auf- und Abbau des Pavillons dauert zwei Wochen und kostet nach Auskunft der Architekten rund 200.000 Euro. Das gesamte Haus passt in zehn bis zwölf Seecontainer oder auf ebenso viele Lkws mit Tieflader. "Ich wünsche mir nur eines" , sagt Wolf Prix am Ende: "Wenn der Pavillon wieder abgebaut ist, möchte ich, dass den Münchnern etwas fehlt." (Wojciech Czaj, DER STANDARD/Printausgabe 19.6./20.6.2010)

 

 

Info

Eröffnung kommenden Donnerstag, 24. Juni, mit dem Stück "Remdoogo. Via Intolleranza II" von Christoph Schlingensief.

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22 Postings
Albert Wittwer
20.06.2010 19:41
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[1]
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*****

Super Design und auch noch funktionell und beweglich! Eine phantastische Leistung.

20.06.2010 13:27
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pathetic!

20.06.2010 08:43
kann man das ding bitte nachher in die donaucity stellen?

19.06.2010 23:31
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liebe coops! macht's bitte einen zweiten pavillon und stellts den in's MQ!

19.06.2010 20:40
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like

gefällt mir sehr!

sweetmaker 
18.06.2010 20:32
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bravo!

prix ist zwar ein arroganter a*sch aber das ist ein tolles ding!

die coops haben die formale phase anscheinend nachhaltig überwunden: in solch einem ausdrucksstarkem "gefrorenene musik" pavillon findet der so oft plakative dekonstruktivismus endlich seinen platz in der funktionellen moderne.

dem einwand der hohen konzeptionellen und technische aufwand ist mit dem gewinnn enormer erkenntnisse für evtl. nachfolgebauten zu entgegnen.

20.06.2010 11:44
.
[1]
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Arroganz,

der Archetypus der Architektur

19.06.2010 15:15

Ich hätte 4 Fragen:

1. warum "formale phase überwunden", wenn Coop so einen formbetonten("ausdrucksstarken") '
Pavillion bauen?

2. was ist falsch an Plakativem?
(Def: plakativ: sehr betont, auffällig, vordergründig in der Aussage)

3. Warum glauben sie muß ein Gebäude nur funktionell sein? Ist die Geste und Bildung von Raum nicht auch eine Funktion?

4. Meinen sie mit "moderne" den Zeitabschnitt bis ca mitte des letzten Jahrhunderts oder die Gegenwart?
Falls sie die (ästhetische) Moderne meinen, warum und wie sollte der Dekonstruktivismus seinen Platz in einem ihm vorausgehenden ´Stil´ finden?

sweetmaker 
19.06.2010 17:14
ok ich versuche zu präzisieren (1)

1. mit formal (man könnte auch "rein formal" sagen) wird generell ein baukünstlerisches statement beschrieben, bei dem die form nicht ausdruck der funktion ist. das ist noch nicht unbedingt wertend gemeint, denn die sogenannte postmoderne und danach auch der dekonstruktivismus haben sich genau dies auf die fahnen geschrieben -nämlich die moderne mit ihrer zwanghaften einheit von form & funktion zu überwinden.

2. hab ich nicht gesagt -ich mags halt lieber hintergründig ; ) allerdings muss ich doch anmerken, dass in ihrer definition selbst schon eine gewisse bewertung -nämlich "vordergründig" drin steckt.

3. hab ich (hoffentlich) auch nicht gesagt: ich begeistere mich allerdings dafür wenn form & funktion korrelieren. damit zu punkt 4:

20.06.2010 11:26

zu1und 2: Das verwendete Bild ist erstarrte Musik. Die Gestalt der Gebäudes wird benutzt um die Akustik in den Griff zu bekommen, jedoch ist nicht anzunehmen, daß solche Überlegungen wesentlichen Einfluss auf die formale Ausprägung hatten. - also der Pavilion ohne diesen Faktor wesentlich anders aussehen würde.
Warum bewerten sie eine Funktion wie Akustik höher als Funktionen wie Raumbildung und Gesten? Weil man etwas "halt" "mag" ist nicht wirklich ein Argument.
zu2 Ich sehe "vordergründig" nicht als abwertend. Aber natürlich gibt es auch die Definition des schwachen und plumpen für dieses Wort. Also nicht gut von mir gewählt.

sweetmaker 
20.06.2010 17:23
ich anerkenne im ganz im gegemteil

die geste der zu raum und körper "erstarrten musik" in perfekter übereinstimmung mit der funktionalität -in diesem fall die akustik.

das wollte ich in meinem ersten post ausdrücken: nicht das eine (geste) ODER das andere (funktion), sondern die SYNERGIE der beiden erzeugt ein bauwerk mit unmittelbar wahrzunehmender energie und aura.

sweetmaker 
19.06.2010 17:14
ok ich versuche zu präzisieren (2)

4. die entwicklung der historischen moderne erstarrte in den 70er jahren zu brutalismus, strukturalismus, usw.
die postmoderne war die erste und sehr wichtige gegen-strömung: allerdings war sie per se reaktionär, was auf dauer nicht tragbar ist.
der dekonstruktivismus versuchte primär gesellschaftliche zustände oder/und kommunikative prozesse darzustellen. auch dies war noch als gegenreaktion auf die moderne gemeint und auch er wurde relativiert, überdacht, weiterentwickelt.

es gibt heute genauso strömungen, die der moderne verpflichtet sind (minimalismus, supermoderne, etc.) aber auch zb. organische architektur, welche die lehren der moderne wiederum anders als früher interpretieren: die moderne endet also keineswegs mit der postmoderne.

20.06.2010 11:57

zu4 Jetzt wird es schwierig. Zu behaupten, die Postmoderne wäre nur reaktionär ist schon sehr bedenklich. Brutalismus und Strukturalismus als "erstarren der moderne" zu bezeichnen allerdings schlicht falsch.

sweetmaker 
20.06.2010 17:15
ich weiss es ist dünnes eis auf das ich mich begeben habe

es ist natürlich eine "unzulässige" persönliche meinung im gewand der architekturtheorie...
natürlich sind strukturalismus und brutalismus nicht allein und ausschliesslich mit dem erstarren der moderne gleichzusetzen. (asche auf mein haupt -das passiert wenn man zu sehr verkürzt)
ich hatte versucht ein gewisse "timeline" hineinzubringen...
die postmoderne hat mmn nur als unmittelbarer protest gegen die moderne seine berechtigung und das wühlen im zitate-koffer ist reaktionär -da bleib ich dabei.

19.06.2010 18:57
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[1]
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so ein schmarrn, das versehn sie doch selbst nicht

ich versteh nur bahnhof: der pavillon schaut auch nur anders aus als die anderen. aber heut schaut sowieso alles anders aus als das andere und so wär es doch fast schon interessant dieses oder jenes andere durch kopie von der gefahr seiner bedeutungslosigeit zu bewahren.
wie wäre es also, die massive lederhosenarchitektur hierzulande durch derartige zu ersetzen - nein - ich glaube das wäre dem wesen nach kein unterschied. wie wäre es, wenn architekturstudenten im ersten semester derartige entwürfe abgeben würden - auch kein unterschied.aber vielleicht muß ich nur die kopie richtig verstehen, denn wer sagt schon, daß man gebäude kopiert indem man ein gleiches woandershin baut.im zeitalter der digitalen bilderflut ist die beste kopie vor ort.

sweetmaker 
19.06.2010 20:36
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wie wärs wenn sie weniger drogen nehmen

und nicht mit ihrem wirren gestammel die umwelt belasten?

20.06.2010 08:44
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Warum denn so zickig ?

Ist es nicht so, daß der Großteil der Menschheit dieses Gebäude (wie auch viele andere) nur aus den Medien kennen ? Dabei find ich es eine hervorragende Idee den Pavillon anderorts auch aufzustellen.
Ich versteh nicht wie Sie das mit den Drogen meinen, vielleicht ist das auch nur eine trotzige Reaktion - aber bitte...
Ich finde es jedenfalls mittlerweile überflüssig, eine Architektur (auch wenn es richtig ist) mit einer Abhandlung der Architekturgeschichte zu rechtfertigen - für mich genügt der Ansatz - wie im Artikel beschrieben - um zu verstehen, warum ein Gebäude so aussieht wie es ist.
Um zu präzisieren: Ich sehe die Gefahr des Schwindens der Bedeutung derartiger Architekturen aufgrund der globalen Vielfalt. Der Name ist mir zu wenig.

sweetmaker 
20.06.2010 17:27
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lesen sie das was sie geschrieben haben laut vor

"...schaut auch nur anders aus als die anderen. aber heut schaut sowieso alles anders aus als das andere..."
etc.
sorry, das ist für mich wirres gebrabbel, nichts mehr.
zickig deswegen, weil ich mir mühe gebe, mich in einem sehr schwierigen thema verständlich auszudrücken und sie anscheinend nicht.
wenn sie es allerdings nicht besser können, möchte ich mich für eine etwaige beleidigung entschuldigen.

20.06.2010 12:06
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Wäre in etwa wie zu sagen, ein Gemälde wird bedeutungslos, nur weil es so viele Andere gibt.

Der Versuch ein Werk theoretisch in seinen historischen Kontext einzuordnen ist sehr wichtig um Hintergründe seiner Entstehung zu verstehen. Im Grunde Geschichtsschreibung, wenn man so will.
Was ihnen persöhnlich genügt um ein Werk zu "verstehen" ist dabei irrelevant.
Sie müssen ja an der Diskussion auch nicht teilnehmen, wenn es sie nicht interessiert.

Ich gebe Ihnen recht...

...jedoch mit Vorbehalt:
In der Tat gibt es den Begriff der "Aura" eines Kunstwerkes... deren Verlust mit seiner Reproduzierbarkeit einhergehen kann. Mein gedanklicher Ansatz wendet diesen Begriff aus der Daguerreotypie auf die Architektur an und geht dabei davon aus, daß nicht die Masse der Reproduzierbarkeit, sondern jene der Neuerschaffung eine Inflation des Wertes des Gegenstandes nach sich ziehen kann. Die Auratisierung erfolgt heute deswegen mithilfe der Medien und dadurch evozierten Popularität (Bilbao).

Den historischen Hintergrund eines Gebäudes heute schon zu beurteilen trau ich mir nicht zu und das traue ich ehrlich gesagt auch keinem anderen zu.

20.06.2010 19:17

Man kann durchaus versuchen ein Objekt theoretisch in seinen historischen Kontext einzuordnen. Das passiert hier im standard-forum natürlich nur sehr sehr laienhaft und ich bin auch kein Historiker. Soviel dann zur Qualität des Inhaltes ;)
Für sich selbst diese Überlegungen anzustellen, halte ich aber für sehr wichtig, denn dann kann man seine eigene Position besser beschreiben und hat ein wenig besser die Möglichkeit Antworten auf evt. Problemstellungen zu finden.

Die Aura eines Objektes existiert eigentlich nicht, solange sie nicht durch mediale Präsenz erzeugt wird. Die Reproduzierbarkeit verliert auch an Bedeutung, da, wenn reproduzierbar zumeist mit einem Markennamen verbunden, der stellvertretend wirkt.

sweetmaker 
20.06.2010 15:55
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[2]
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danke

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