Kampfansage an das Mittelmaß: Der temporäre Opera Space von Coop Himmelb(l)au ist alles andere als ein langweiliges Provisorium. Die spitzen Spikes sind nicht nur sehr spitz, sondern auch gut für die Akustik.
Es schnürlregnete an jenem bedeutungsvollen Montag, doch der Begeisterung des Auftraggebers tat dies keinen Abbruch. Nikolaus Bachler, einst Burgtheaterchef und nun Intendant der Bayerischen Staatsoper in München, erklomm wohlgelaunt das rote Trottoir, klopfte mit der Faust kräftig gegen das metallene Garagentor und schritt sodann durch das wohl modernste Theaterportal, das man im deutschsprachigen Raum je zu Gesicht bekam.
"Seit dem 19. Jahrhundert wurde in München kein Neubau für darstellende Kunst mehr errichtet" , sprach er vor den Journalisten ins Mikrofon. "Nach 150 Jahren ist dies der erste zeitgenössische Impuls in diesem Kunstbereich. Das ist ein Schrei in Richtung Gegenwart." Neuinszenierungen und futuristische Bühnenbilder, das mache man als Intendant natürlich immer wieder, sagte Bachler. Doch im Grunde genommen, versicherte er, sei das nur ein Spiegel seiner Sehnsucht, endlich, endlich, endlich mal neu zu bauen.
Wie ein grantiger, zorniger Meteorit aus dem All schlug der temporäre Opernpavillon mitten auf den Marstallplatz ein. Die Reise aus der Zukunft war lang und eisig, denn die schroffen Kristalle haften dem Klumpen noch wochenlang an. Zwischen Nationaltheater und Leo von Klenzes klassizistischer, ehemaliger Hofreitschule setzte das Wiener Büro Coop Himmelb(l)au dieses silbergraue Gebilde, das vom 24. Juni bis einschließlich 25. Juli einen Monat lang einen Teil der Münchener Opernfestspiele beherbergen wird.
Die Zacke als akustischer Trick
"Das hat nichts mit Zukunft zu tun, das ist eine Architektur, die ihrer Zeit entspricht" , entgegnet der himmelblaue Pavillonerbauer Wolf D. Prix. "Aber natürlich war das ein herausforderndes Projekt, das nicht leicht zu planen war, weil es ein technisches Paradoxon birgt." Gemeint ist die Kunst der Töne: "Um eine gute Akustik hinzukriegen, braucht man normalerweise viel Masse. Ein mobiler Pavillon, der in kürzester Zeit auf- und wieder abgebaut werden muss und der noch dazu schalltechnisch perfekt ist - das ist ein Widerspruch in sich."
In Zusammenarbeit mit dem Londoner Akustikplaner Arup gelang die zackige Realisierung des Unmöglichen. Während der Aufführungsraum selbst - er fasst je nach Bestuhlung und Bestehung zwischen 300 und 700 Personen - eine einfache Black Box ist, kamen die rechnerischen Errungenschaften der Schalljongleure auf der Fassade zum Einsatz. Prix: "Der Raum bleibt dadurch simpel und flexibel, die Akustikpyramiden sind je nach Aufstellungsort adaptierbar, und natürlich trägt das auch zum Image des Gebäudes bei. Gerade bei einem temporären Bau wie hier muss man einprägsame Bilder erzeugen."
Und nein, die sonderbaren Aluminium-Spikes, die da nach allen Richtungen ragen, seien nicht nur Blickfänger, versichert Prix in seiner Ansprache. "Die haben auch eine Funktion!" Durch die eigens entwickelte Geometrie der Pyramiden wird der Straßenlärm an manchen Flächen absorbiert, an manchen reflektiert. Doch nicht nur der Lärm wird abgehalten, sondern auch die Bauteile selbst schwingen dadurch anders, was sich wiederum direkt auf die Akustik im Raum auswirkt.
"Wir haben einige Simulationen durchgeführt. Die Unterschiede waren eklatant." Die Inspiration für die eigenwillige Formensprache lieferte übrigens die Musik: Purple Haze von Jimi Hendrix sowie eine Passage aus Mozarts Don Giovanni wurden durch die Computer-Software gejagt und anschließend in eine geometrische Sprache verwandelt. Arthur Schopenhauers berühmter Ausspruch ist damit perfekt in Szene gesetzt: "Architektur ist gefrorene Musik." Eiskalt.
Schön und gut, doch für einen temporären Pavillon, der in einem Monat wieder Geschichte sein wird, ist der konzeptionelle und technische Aufwand doch recht mächtig, könnte man an dieser Stelle nun einwerfen. Hier kommt die Finanzierung ins Spiel: Die Baukosten von 2,1 Millionen Euro kommen zu einem Drittel vom Freistaat Bayern, zu einem Drittel aus dem Budget der Bayerischen Staatsoper sowie von kleineren Geldgebern und Sponsoren und zu einem Drittel vom Projektpartner BMW Group/Mini, die auch für den etwas sperrigen offiziellen Namen des Hauses verantwortlich ist: Pavillon 21 Mini Opera Space.
"Ich habe mit Public Private Partnerships, von denen alle Seiten profitieren, überhaupt kein Problem" , sagt Nikolaus Bachler zum Standard, "nicht in wirtschaftlich ausgewogenen Zeiten und schon gar nicht in der Krise." Ohne einen potenten Hauptsponsor sei das Projekt niemals zu schaffen gewesen.
Die Münchner selbst können davon nur profitieren: Neben den abendlichen Aufführungen im Rahmen der Opernfestspiele wird der Pavillon auch untertags und in der Nacht genutzt: Auf dem Programm stehen Tanzkurse, Gesangstunden und Yoga, an den Wochenenden verwandelt sich der Kunstraum in einen Clubbing-Tempel mit DJs aus aller Welt: Frankie Knuckles, Paul Oakenfold und DJ TBC. Highlight ist wohl das Mini-Autokino am 19. Juli, bei dem man sich - erraten - in bereitgestellte Minis setzen und der Filmkunst frönen wird.
Um die Baukosten langfristig wieder einspielen zu können, soll der Pavillon nach Abbau an Kultureinrichtungen und Kommunen weitervermietet werden. "Natürlich wird der Mini Opera Space nicht jeden Tag woanders stehen" , sagt Bachler, "das ist ein Gebäude und kein Zirkuszelt." Die ersten Interessenten stünden bereits auf der Liste: ein Designfestival in London, eine Messe in Paris, das Theater in Augsburg.
Der Auf- und Abbau des Pavillons dauert zwei Wochen und kostet nach Auskunft der Architekten rund 200.000 Euro. Das gesamte Haus passt in zehn bis zwölf Seecontainer oder auf ebenso viele Lkws mit Tieflader. "Ich wünsche mir nur eines" , sagt Wolf Prix am Ende: "Wenn der Pavillon wieder abgebaut ist, möchte ich, dass den Münchnern etwas fehlt." (Wojciech Czaj, DER STANDARD/Printausgabe 19.6./20.6.2010)
Info
Eröffnung kommenden Donnerstag, 24. Juni, mit dem Stück "Remdoogo. Via Intolleranza II" von Christoph Schlingensief.
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prix ist zwar ein arroganter a*sch aber das ist ein tolles ding!
die coops haben die formale phase anscheinend nachhaltig
überwunden: in solch einem ausdrucksstarkem "gefrorenene musik"
pavillon findet der so oft plakative dekonstruktivismus endlich seinen
platz in der funktionellen moderne.
dem einwand der hohen konzeptionellen und technische aufwand ist
mit dem gewinnn enormer erkenntnisse für evtl. nachfolgebauten zu
entgegnen.
Ich hätte 4 Fragen:
1. warum "formale phase überwunden", wenn Coop so einen formbetonten("ausdrucksstarken") '
Pavillion bauen?
2. was ist falsch an Plakativem?
(Def: plakativ: sehr betont, auffällig, vordergründig in der Aussage)
3. Warum glauben sie muß ein Gebäude nur funktionell sein? Ist die Geste und Bildung von Raum nicht auch eine Funktion?
4. Meinen sie mit "moderne" den Zeitabschnitt bis ca mitte des letzten Jahrhunderts oder die Gegenwart?
Falls sie die (ästhetische) Moderne meinen, warum und wie sollte
der Dekonstruktivismus seinen Platz in einem ihm vorausgehenden ´Stil´
finden?
1.
mit formal (man könnte auch "rein formal" sagen) wird generell ein
baukünstlerisches statement beschrieben, bei dem die form nicht
ausdruck der funktion ist. das ist noch nicht unbedingt wertend
gemeint, denn die sogenannte postmoderne und danach auch der
dekonstruktivismus haben sich genau dies auf die fahnen geschrieben
-nämlich die moderne mit ihrer zwanghaften einheit von form &
funktion zu überwinden.
2. hab ich nicht gesagt -ich mags halt lieber hintergründig ; )
allerdings muss ich doch anmerken, dass in ihrer definition selbst
schon eine gewisse bewertung -nämlich "vordergründig" drin steckt.
3. hab ich (hoffentlich) auch nicht gesagt: ich begeistere mich
allerdings dafür wenn form & funktion korrelieren. damit zu punkt 4:
zu1und
2: Das verwendete Bild ist erstarrte Musik. Die Gestalt der Gebäudes
wird benutzt um die Akustik in den Griff zu bekommen, jedoch ist nicht
anzunehmen, daß solche Überlegungen wesentlichen Einfluss auf die
formale Ausprägung hatten. - also der Pavilion ohne diesen Faktor
wesentlich anders aussehen würde.
Warum bewerten sie eine Funktion wie Akustik höher als Funktionen
wie Raumbildung und Gesten? Weil man etwas "halt" "mag" ist nicht
wirklich ein Argument.
zu2 Ich sehe "vordergründig" nicht als abwertend. Aber natürlich
gibt es auch die Definition des schwachen und plumpen für dieses Wort.
Also nicht gut von mir gewählt.
die
geste der zu raum und körper "erstarrten musik" in perfekter
übereinstimmung mit der funktionalität -in diesem fall die akustik.
das wollte ich in meinem ersten post ausdrücken: nicht das eine
(geste) ODER das andere (funktion), sondern die SYNERGIE der beiden
erzeugt ein bauwerk mit unmittelbar wahrzunehmender energie und aura.
4. die entwicklung der historischen moderne erstarrte in den 70er jahren zu brutalismus, strukturalismus, usw.
die postmoderne war die erste und sehr wichtige gegen-strömung:
allerdings war sie per se reaktionär, was auf dauer nicht tragbar ist.
der dekonstruktivismus versuchte primär gesellschaftliche zustände
oder/und kommunikative prozesse darzustellen. auch dies war noch als
gegenreaktion auf die moderne gemeint und auch er wurde relativiert,
überdacht, weiterentwickelt.
es gibt heute genauso strömungen, die der moderne verpflichtet sind
(minimalismus, supermoderne, etc.) aber auch zb. organische
architektur, welche die lehren der moderne wiederum anders als früher
interpretieren: die moderne endet also keineswegs mit der postmoderne.
es ist natürlich eine "unzulässige" persönliche meinung im gewand der architekturtheorie...
natürlich sind strukturalismus und brutalismus nicht allein und
ausschliesslich mit dem erstarren der moderne gleichzusetzen. (asche
auf mein haupt -das passiert wenn man zu sehr verkürzt)
ich hatte versucht ein gewisse "timeline" hineinzubringen...
die postmoderne hat mmn nur als unmittelbarer protest gegen die
moderne seine berechtigung und das wühlen im zitate-koffer ist
reaktionär -da bleib ich dabei.
ich
versteh nur bahnhof: der pavillon schaut auch nur anders aus als die
anderen. aber heut schaut sowieso alles anders aus als das andere und
so wär es doch fast schon interessant dieses oder jenes andere durch
kopie von der gefahr seiner bedeutungslosigeit zu bewahren.
wie wäre es also, die massive lederhosenarchitektur hierzulande
durch derartige zu ersetzen - nein - ich glaube das wäre dem wesen nach
kein unterschied. wie wäre es, wenn architekturstudenten im ersten
semester derartige entwürfe abgeben würden - auch kein unterschied.aber
vielleicht muß ich nur die kopie richtig verstehen, denn wer sagt
schon, daß man gebäude kopiert indem man ein gleiches woandershin
baut.im zeitalter der digitalen bilderflut ist die beste kopie vor ort.
Ist
es nicht so, daß der Großteil der Menschheit dieses Gebäude (wie auch
viele andere) nur aus den Medien kennen ? Dabei find ich es eine
hervorragende Idee den Pavillon anderorts auch aufzustellen.
Ich versteh nicht wie Sie das mit den Drogen meinen, vielleicht ist das auch nur eine trotzige Reaktion - aber bitte...
Ich finde es jedenfalls mittlerweile überflüssig, eine Architektur
(auch wenn es richtig ist) mit einer Abhandlung der
Architekturgeschichte zu rechtfertigen - für mich genügt der Ansatz -
wie im Artikel beschrieben - um zu verstehen, warum ein Gebäude so
aussieht wie es ist.
Um zu präzisieren: Ich sehe die Gefahr des Schwindens der
Bedeutung derartiger Architekturen aufgrund der globalen Vielfalt. Der
Name ist mir zu wenig.
"...schaut auch nur anders aus als die anderen. aber heut schaut sowieso alles anders aus als das andere..."
etc.
sorry, das ist für mich wirres gebrabbel, nichts mehr.
zickig deswegen, weil ich mir mühe gebe, mich in einem sehr
schwierigen thema verständlich auszudrücken und sie anscheinend nicht.
wenn sie es allerdings nicht besser können, möchte ich mich für eine etwaige beleidigung entschuldigen.
Wäre in etwa wie zu sagen, ein Gemälde wird bedeutungslos, nur weil es so viele Andere gibt.
Der Versuch ein Werk theoretisch in seinen historischen Kontext
einzuordnen ist sehr wichtig um Hintergründe seiner Entstehung zu
verstehen. Im Grunde Geschichtsschreibung, wenn man so will.
Was ihnen persöhnlich genügt um ein Werk zu "verstehen" ist dabei irrelevant.
Sie müssen ja an der Diskussion auch nicht teilnehmen, wenn es sie nicht interessiert.
...jedoch mit Vorbehalt:
In der Tat gibt es den Begriff der "Aura" eines Kunstwerkes...
deren Verlust mit seiner Reproduzierbarkeit einhergehen kann. Mein
gedanklicher Ansatz wendet diesen Begriff aus der Daguerreotypie auf
die Architektur an und geht dabei davon aus, daß nicht die Masse der
Reproduzierbarkeit, sondern jene der Neuerschaffung eine Inflation des
Wertes des Gegenstandes nach sich ziehen kann. Die Auratisierung
erfolgt heute deswegen mithilfe der Medien und dadurch evozierten
Popularität (Bilbao).
Den historischen Hintergrund eines Gebäudes heute schon zu
beurteilen trau ich mir nicht zu und das traue ich ehrlich gesagt auch
keinem anderen zu.
Man
kann durchaus versuchen ein Objekt theoretisch in seinen historischen
Kontext einzuordnen. Das passiert hier im standard-forum natürlich nur
sehr sehr laienhaft und ich bin auch kein Historiker. Soviel dann zur
Qualität des Inhaltes ;)
Für sich selbst diese Überlegungen anzustellen, halte ich aber für
sehr wichtig, denn dann kann man seine eigene Position besser
beschreiben und hat ein wenig besser die Möglichkeit Antworten auf evt.
Problemstellungen zu finden.
Die Aura eines Objektes existiert eigentlich nicht, solange sie
nicht durch mediale Präsenz erzeugt wird. Die Reproduzierbarkeit
verliert auch an Bedeutung, da, wenn reproduzierbar zumeist mit einem
Markennamen verbunden, der stellvertretend wirkt.
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