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derStandard.at | Newsroom | Kultur | Bildende Kunst 
01. April 2009
18:45 MESZ

www.wallraf.museum

 

Mond im Zentrum der Kunst. Exponat nach Georges Méliès’ Sci-Fi-Film "Reise zum Mond"  (1903).


Die Vermessung des Mondes
Mit 150 Werken aus Kunst und Wissenschaft zeigt das Wallraf-Richartz-Museum in Köln bis Mitte August Annäherungen an den Mond

Ein kunst- und kulturhistorischer Parcours durch die vergangenen fünf Jahrhunderte.


Der Mond ist ein großer Lügner, erkannten schon die Lateiner: Luna mentitur. Unfähig, aus eigener Kraft zu leuchten, sonnt er sich im Licht der anderen. Doch wenig scheint die Menschen so in den Bann zu ziehen wie diese Lüge. Das Licht des Himmelskörpers: verantwortlich für Schlaflosigkeit, Schmerzempfinden, Wundheilung und Wunderdinge.

Im Kölner Wallraf-Richartz-Museum ist jetzt Schluss damit. Direktor und Kurator Andreas Blühm rückt mit einer Ausstellung dem Mythos Mond zu Leibe. Mit mehr als 150 Exponaten aus über 500 Jahren Kunstgeschichte - darunter so bedeutende Arbeiten wie Dürers Jungfrau auf der Mondsichel oder Manets Mondschein über dem Hafen von Boulogne - will das im Schatten des Kölner Doms gelegene Museum Licht ins Dunkel des Kosmos bringen.

Die Wahrheit kam mit der Wissenschaft. Als der florentinische Mathematiker Galileo Galilei vor genau 400 Jahren sein Teleskop erstmals auf die kahlen Oberflächen des erdnahen Planeten richtete, da erblickte er schier Unglaubliches. Der Mond, bis dato für ebenso unbefleckt gehalten wie die Jungfrauengeburt, war in Wahrheit ein von Kratern zerfurchtes Gelände. Papst Innozenz III. hatte noch behauptet, die Reinheit des Mondes sei wie die Reinheit Mariens; Galileo riss die Welt aus dieser Träumerei. So keusch und katholisch, wie es Rom in Anlehnung an antike Mondgöttinen behauptet hatte, ging es in der Dunkelheit des Weltenraums nicht zu. Die in Köln gezeigten Radierungen aus Galileos Sternenboten beweisen es: Der Mond ist zu runzlig und hutzlig, um Jungfrau zu sein.

Doch so sehr rationale Geister um Bildung rangen: Der schummrige Mondschein machte auf die Menschen stets mehr Eindruck als das kalte Lichtgeflimmer der Aufklärung. Für Romantiker und andere Schwärmer blieb der Mond Symbol der Nachtseiten ihrer Existenz. Maler wie Caspar David Friedrich übten sich das frühe 19. Jahrhundert hindurch an mondbeschienenen Wäldern und am dämmerigen Tann. Bis in den französischen Impressionismus hinein färbte das Mondlicht die Seelen trüb.

Selbst als Fotografien die Oberfläche des Planeten immer exakter vermessen konnten, blieb der Mond ein extraterrestrisches Wunderland. In Fritz Langs Science-Fiction-Film Frau im Mond etwa ist der Mond Hort für Liebe, Macht und Goldvorkommen. Christian Morgenstern wiederum vermutet auf dem Planeten weder Mann noch Frau, sondern nicht mehr als ein einsames Schaf: "Das Mondschaf steht auf weiter Flur. Es harrt und harrt der großen Schur."

Als Neil Armstrong und Edwin Aldrin im Sommer 1969 mit ihrer Apollo 11 zum Mond reisten, da wollten sie endgültig Schluss machen mit Fabeln und mit Hirngespinsten. Doch ihre Reise zum Mond konnte die Zweifler nicht überzeugen. Auch wenn die äußerst gelungene Kölner Mond-Schau unzählige Fotos von dieser Mission präsentiert, für wahre Fantasten blieb sie so wundersam wie einst schon Peterchens Mondfahrt. Bis heute jedenfalls hält sich bei ihnen der Glaube, Armstongs Mondlandung wäre nicht mehr als ein inszeniertes Arrival in einem x-beliebigen Hollywood-Studio gewesen. Vielleicht ist dies die letzte große Lüge, die man sich vom Mond erzählt - von einem Himmelskörper, der stets zu fantastisch erschien, um wirklich wahr zu sein. (Ralf Hanselle aus Köln / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.4.2009)

 

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