Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte

Kleiner Eingriff – große Wirkung

Rätselhafte Interventionen: Rita Furrers "Bilderschatten" bevölkern den Altarraum der Wiener Jesuitenkirche
Illustration
- Stumme Andacht in der Jesuitenkirche: Die „Bilderschatten“ von Rita Furrer sinnieren Kosmos und Nacht herbei – und wollen zum Nachdenken anregen.  Foto: Strasser

Stumme Andacht in der Jesuitenkirche: Die „Bilderschatten“ von Rita Furrer sinnieren Kosmos und Nacht herbei – und wollen zum Nachdenken anregen. Foto: Strasser

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Fünf schwarz verhüllte und eine weiße Figur bevölkern den Altarbereich in der Wiener Jesuitenkirche. In der Fastenzeit ohne sichtbares Altarblatt ist die geheimnisvolle Installation "Bilderschatten" durch den Rektor der Jesuiten, Gustav Schörghofer, und die Künstlerin Meina Schellander, die den Nachlass ihrer Künstlerkollegin Rita Furrer verwaltet, zu Stande gekommen.

Bei den Gipsskulpturen unter der Verhüllung handelt es sich um Selbstabgüsse der im Jahr 2003 verstorbenen Performerin und Filmerin Furrer, deren minimale Eingriffe in Kulträume ab Mitte der Siebzigerjahre Aufsehen in Österreich und Deutschland erregten.

Furrer hat nie den Bekanntheitsgrad der männlichen Vertreter des Wiener Aktionismus erreicht, da sie mit individueller Ich-Auflösung unter schwarzem Tuch allein einer konsequenten künstlerischen Idee diente.

Vermarktungsstrategisch war dies kontraproduktiv, obwohl sie einige Aspekte, wie das Denken als "soziale Plastik" zu verstehen und die Skulptur vom starren Block zu lösen, mit Joseph Beuys gemeinsam hat. Eine vordergründige Verbindung der schwarz verhüllten Frauen zum islamischen Tschador zu konstruieren, wäre bei Furrer falsch.

Ein Rückzug aus der Warenwelt

Für sie war der Rückzug aus der Warenwelt der Sechzigerjahre Metapher für Schutz, Zelt, Kosmos – die Figuren hängen also mehr mit kultischen Ritualen zusammen und mit dem Verbergen als Zeichen für überirdische Bezüge, etwa zur Personifikation der Nacht, aber auch des Todes.

Statt den weiblichen Körper entblößt zur Projektionsfläche zu machen, verhüllte sich Furrer bei ihren Auftritten gemeinsam mit den Figuren, die sie als "Bilderschatten" bezeichnete, und ging dann mit wenigen, ruhigen Bewegungen durch den Raum.

Diese "intervenierenden Handlungen" während anderer Veranstaltungen sollten Anwesende zum Nachdenken anregen. Nur diese Figuren und die von Fotografinnen, wie der vor einem Monat verstorbenen Lotte Hendrich-Hassmann, fixierten Aktionen sowie konzeptuelle Texte sind von dieser wichtigen Künstlerin geblieben.

Wende zum einem neuen Skulpturbegriff

Furrers Werk ist Teil der Wende zu einem neuen Skulpturbegriff der Gegenwartskunst, der mit theatralischen Handlungen, Fotografie und Film agiert. Davon abgesehen ist ihre erotische weiße Gestalt als lebendiges Pendant zu den schwarzen Rätselfiguren aber auch Hoffnungsträger und steht nicht zufällig neben einer der Spiralsäulen des Architekten Andrea Pozzo, der das Innere der Jesuitenkirche als einzigartiges Gesamtkunstwerk inszeniert hat.

Denn links davon ist eine barocke Figur des auferstandenen Christus zu finden, zu dem sie wie eine zweite Magdalena Bezug nimmt.

Die Öffnung der Jesuitenkirche für die Kunst unserer Zeit erinnert an das legendäre Kunst-Engagement von Monsignore Otto Mauer, und man kann auf die Fortsetzung solcher ästhetischer Bilder zum Nachdenken gespannt sein.

Bilderschatten

Rauminstallation

von Rita Furrer

Aufbau:

Meina Schellander

Wiener Jesuitenkirche

1., Dr. Ignaz Seipel Platz

Bis 20. April

Spannende

Kontrapunkte.

Donnerstag, 05. April 2007


Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at