Salzburger Nachrichten am 26. Juni 2006 - Bereich: Kultur
Bildersprache für Europa

Stararchitekt Rem Koolhaas zeigt in Wien sein Bild von der EU

ANNE IsOPP WIEN (SN). Über einer eindrucksvollen Silhouette zieht ein Schwarm Vögel dahin. Vorn voran sechs Zugvögel, die in den Länderfarben der EU-Gründungsstaaten geschmückt sind. Knapp dahinter folgen die Farben von Irland, dem Vereinigten Königreich und Dänemark. Unter ihnen liegen die wichtigsten Baudenkmäler Europas wie der Eiffelturm, das Atomium oder der Petersdom. Diese sehr einfach verständliche Collage über den Zeitpunkt des jeweiligen Beitritts der EU-Mitgliedsstaaten stammt aus der holländischen Denkwerkstatt AMO.

Mit seinem 1975 gegründeten Büro "Office for Metropolitan Architecture" (OMA) plant und realisiert Architekt Rem Koolhaas weltweit Projekte. Mit der Firma AMO widmet er sich konsequent architekturunabhängigen Themen - etwa der Konzipierung der Ausstellung "Das Bild Europas", die noch bis 2. Juli in Wien zu sehen ist.

Auf dem Heldenplatz steht ein Festzelt, das in den Farben des österreichischen Ratspräsidentschaftslogos gekleidet ist. Im Inneren sind zwei ringförmige Wände aufgebaut. Sie sind voller Collagen, die der Besucher von der Mitte des Raumes aus betrachten kann - ähnlich einem historischen Rundbild. Auf dem inneren Ring, der etwa zwei Meter hoch ist, ist die Geschichte von Europa dargestellt. Es beginnt mit dem Urknall und endet bei der Globalisierung und dem "nach Atlantischen". Jede Epoche wird durch wichtige Personen und Ereignisse charakterisiert. Der zweite Kreis dahinter ist raumhoch und stellt die Entwicklung der Europäischen Union dar. Auch hier findet man eine durchgängige Collage aus Texten und Bildmaterialien.

Die Ausstellung lebt von der Verbildlichung an sich eher trockener Themen - eine Darstellungsform, die OMA/AMO grandios beherrschen. So steht zum Beispiel in der Mitte des Raumes ein 6,5 Meter langes Buch. Auf den darin enthaltenen 8000 Seiten sind alle Gesetze der EU versammelt. "Obwohl die EU fast die Hälfte der Gesetze in den Mitgliedsstaaten vergibt - vor allem im Wirtschaftsbereich - ist die EU im Alltagsleben fast unsichtbar", ist daneben zu lesen.

Rem Koolhaas wurde 2001 von der EU beauftragt, ein Bild von Europa zu entwickeln. Zuerst nahm er sich die Flagge vor - die goldenen Sterne vor blauem Hintergrund. Er fand, dass Europa bisher keine überzeugende Bildsprache gefunden habe. "Europa hat doch keine Einheitskultur", sagte AMO-Büroleiter Reinier de Graaf in Wien, "sondern viele lokale Unterschiede." So reihten sie alle Länderflaggen der Mitgliedsstaaten aneinander und entwickelten den so genannten Barcode, den heuer Österreich als erstes Land zu seinem Ratspräsidentschaftslogo erkoren hat. Nur drei Streifen, die der österreichischen Flagge, sind hierauf etwas länger gezogen und mit den Kürzeln "EU" und "AT" ergänzt. "Je mehr Länder hinzukommen, desto schöner wird der europäische Barcode", sagt de Graaf.