Artikel aus profil Nr. 03/2003
Wie ein Fechter

Hans Staudacher, der international renommierte österreichische Maler, feiert seinen achtzigsten Geburtstag.
Anfang der siebziger Jahre ging er, wie früher einmal die Schneiderinnen oder Schuster, „auf die Stör“. Gegen Kost und Logis malte er beispielsweise für den Kitzbüheler Galeristen Ferdinand Maier Bilder, die dann ausgestellt wurden. Verkauft wurde wenig, was vielen heute Leid tun muss, da der Marktwert von Bildern Hans Staudachers inzwischen auf bis zu 70.000 Euro geklettert ist.

Aus Anlass des achtzigsten Geburtstags des am 14. Jänner 1923 in St. Urban am Ossiacher See Geborenen sitzen die Klischees locker. Die Klischees vom Autodidakten und Einzelgänger, vom Eisenbahnerkind, das in einer Holzhütte aufwuchs und sich den Sprung in die Kunstwelt als Schwimmlehrer und Teppichwäscher verdiente.

Aber das war die häufige Realität einer Generation, die, halbwüchsig in den Krieg geworfen, sich danach mithilfe der Kunst von dessen Traumata zu befreien suchte – „um meine Seele zu retten“, wie Staudacher sagte. Ein Fluchtpunkt auf dem Weg zur Rettung der Seele war die Natur, eine ungebändigte, wilde Gegenwelt, die sich anfangs in gestischen Zeichnungen von Pferden, Katzen und Vögeln Freiheit verschaffte.

Reine Abstraktion

Von da war es nur ein kleiner Schritt zur reinen Abstraktion, zu der ihm in Paris Georges Mathieu den Weg wies. „abstrakte kunst“, schrieb Staudacher 1960 in einem Manifest, „ist handschrift, farbe, tanz, spiel, zeichen, einfall, rede, wort, überfluss, bewegung, geschwindigkeit.“

Dass er mit seinen spontanen, rhythmischen Arbeiten, die Aggressivität, aber auch Poesie und – das ist ihm wichtig – „Übermut“ ausstrahlen, dem „lyrischen Informel“ zugeordnet wurde, ist eine kunsthistorische Verengung. Happenings, Schüttaktionen, dauerndes Übermalen der eigenen Bilder kennzeichnen Staudachers neugieriges Schaffen ebenso wie seine Beschäftigung mit Sprache und Musik.

Für den 1950 nach Wien Gezogenen wurde die Künstlervereinigung Secession nicht nur zur geistigen, sondern auch zur physischen Heimat. Staudacher hatte in dem damals noch alles andere als prächtigen Secessionspavillon sein Bett aufgeschlagen. Er leitete dort legendäre Künstlerfeste wie das „Spiralenspektakel“. Und er gestaltete Gemeinschaftsausstellungen wie „Who is who“, in der zum ersten Mal die späteren Wiener Aktionisten zu sehen waren. Vielleicht stand dieser Einsatz für gemeinsame Anliegen von Künstlern der eigenen Karriere des „Staudi“ im Weg. Obwohl er Österreich auf den Biennalen von Venedig, Tokio und São Paulo repräsentiert hatte, blieb ihm in Wien der Erfolg lange verwehrt. Die siebziger Jahre waren keine lustigen Zeiten für den Künstler und ebenso wenig für seine Familie. „Ich arbeite wie ein Fechter“, sagte er.

Dass die spätere finanzielle Anerkennung nicht mit der Wiederbeachtung der vorschnell totgesagten Malerei zu tun hatte, sondern mit einer schweren Krankheit des 65-Jährigen, „die viele schnell noch etwas kaufen ließ“, gehört wahrscheinlich zu den Mystifikationen des notorischen Ironikers.

Der erfreut sich achtzigjährig guter Gesundheit, Schaffenskraft und Lebenslust. Zur eigenen Freude und der seiner Freunde. Nicht zuletzt jener Galeristen und Sammler, die immer an ihn geglaubt haben.

Autor: Horst Christoph


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