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Als Narr unter den Gourmets

Künstler Paul Renner ließ in Feldkirch aus- und einkochen - ein Abenteuer.

CHRISTA DIETRICH

christa.dietrich@vn.vol.at, •72/501-225

Feldkirch (VN) Ob man als König, Bettler oder Narr gespeist hat, das weiß man erst nach dem Mahl. So ist das auch im Leben. Und weil das so ist, wird Paul Renners kulinarischer Eingriff ins Feldkirch Festival, das heuer unter dem Motto "König, Bettler, Narren" steht, rasch begreiflich.

Der Künstler aus dem Bregenzerwald, der als Maler dick aufträgt, bei der Aktivierung weiterer Sinne neben dem Auge aber den allerfeinsten Pinsel schwingt, lud zu "A Rebours/Gegen den Strich" ins Pförtnerhaus. Die Gourmets reihten sich um ein Wunderkammerkabinett voll üppiger Malerei und (seltenen) Küchenpflanzen im Glas.

"Gastrotheater"

Der Geschmackssinn ist aktiviert, bevor man den auf Tomaten und Zwiebeln geschmorten sowie mit Knoblauch, Koriander und Nelken gespickten Thunfisch erblickt. Paul Renner hat an einem Fangritual bei Sizilien teilgenommen, um kostbare Stücke für Vorarlberg zu sichern, die unter den Köchen Markus Bergthaler, Bernhard Böhler, Klaus Feuerstein, Roberto Segantin und Gottlieb Walter mundgerecht wurden. Pech gehabt, wer ein Narr war, man bekam den Fisch versuppt zu Dosenfutter, während er Königen pur und Bettlern auf Kartoffelsalat bestens mundete.

Das Spiel um Sensibilisierung und Geschmackserlebnisse, das Renner als künstlerischen Akt oder "Gastrotheater" seit der Gründung des dekadenten "Hell Fire Clubs" vor ein paar Jahren betreibt, hatte begonnen, und verlief - die Gobelsburger Weine einmal ausgenommen - in der Folge ohne Reinfälle,

Seichelnde Nieren

Eine Porchetta, wie sie Renner bei einem der letzten italienischen Metzger, die diese Art des Füllens von Schweinen beherrschen, bestellte, wird man nicht mehr so schnell genießen können. Neben dem Bärlauch - den auch jeder Narr verschmäht. ohne es damit zu sein - fand man Senffrüchte, die den Himmel näher rücken. Und dass die Nieren nach den Vorlieben von Leopold Bloom ("Ulysses") wirklich seichelten, verzieh man angesichts eines Mandelanteils in der Kartoffelsuppe, der nur mit allerhöchstem Aufwand dorthin gelangt sein konnte.

Kapaune, ebenfalls im Ganzen gebraten, und gefüllt mit einer Wachtel - da schluckte mein Gegenüber tief durch. Der Anblick von Köpfen, Krallen und Federn ist Gourmets aber ansonsten nichts Fremdes, und auch der Narr will

wissen, was er isst.

Die Frage ist beim Enzian nicht klar zu beantworten, denn die Menge des Obstanteils soll der Edelbranntwein verdecken. Rein kam der Vogelbeerschnaps daher. Und der mehrjährige Käse aus dem Piemont und dem Aostatal. Außer Weinmaische war kein Zusatz zu sichten. Die Würmer, die im Laufe der Zeit die Form des Laibs verändern sollen, blieben Teil literarischer Einschübe, von denen man sich (anstelle der läppischen Renner'schen Kunsthaus-BregenzKritik) mehr wünschen darf. Zumindest als Narr. Denn Bettler und Könige neben mir waren nach acht Gängen auch so glücklich.

Die Veranstaltung "A Rebours/Gegen den Strich" findet noch einmal am 10. Juni, ab 19 Uhr im Pförtnerhaus Feldkirch statt: www.feldkirchfestival.at

. . . das Füllen des Kapauns . . .

Alles ist Kunst, auch das Besorgen eines Super-Thunfisches . . .

. . . und das Verkosten eines mehrjährigen Käses. (Fotos: Krieg)




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