Ein Souterrain im vierten Wiener Gemeindebezirk. Vor Jahren diente es einer Putzerei als Waschküche. Jetzt weist einzig eine Betontreppe am Ende des langen schmalen Raums, die im Nichts endet, darauf hin, dass hier einmal zwei Räume miteinander verbunden waren. Vor einiger Zeit ist es David Moises, wie er sagt, „als Atelier zugeflogen“, wo er nun seine motor- oder batteriebetriebenen Maschinenskulpturen aus entfunktionalisierten Fahrzeug- und anderen Bauteilen ersinnt und erzeugt.
Es ist typisch für Moises, dass er die nutzlos gewordene Treppe kurzerhand umfunktioniert hat zum Display für verschiedene Objekte. Jetzt steht da also ein mächtiges Gebläse, daneben ein alter LKW-Reifen, in dem eine Schiffsschraube steckt. Und drei Stufen darunter scheinen sich soeben zwei herrenlose Füße in Tennissocken anzuschicken, herabzusteigen. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine kinetische Arbeit von ihm, bestehend aus batteriebetriebenen Modellauto-Unterbauten, die in einem Plastikfuß stecken. Dass Atelierbesucher zusammenzucken, wenn sie dieser „Tanzenden Socke“ ansichtig werden, überrascht Moises nicht mehr. „Die Dinge sind ja in unseren Augen eigentlich tot. Wenn sie aber anfangen, sich zu bewegen, bekommen sie plötzlich lebewesenartige Eigenschaften. So wird die Tanzende Socke zur anthropomorphen Maschine, die eine Art Anima hat und somit etwas Unheimliches.“
Die Ambivalenz setzt sich im Atelier
fort. Da finden sich bald fertige Arbeiten, bald rätselhafte Objekte,
die auf den ersten Blick kaum als Kunstwerk, Bauteil oder
Gebrauchsgegenstand dechiffrierbar sind: Hier ein halber
Modellhubschrauber. Dort ein alter Fernseher. Da ein Eprouvettenhalter,
den Moises aus dem Müll des Pariser Musée des arts et métiers gerettet
hat. An der Wand Stiche aus einem Physikkabinett, daneben Grafiken mit
„Exploramen“, die Moises erklärend zu seinen Arbeiten angefertigt hat.
Inspirieren lässt er sich auch von Technik- und Männermagazinen wie
etwa „Hobby“, von dem er alle Jahrgänge besitzt.
Das Materialgedächtnis.
„So sind viele Arbeiten von mir entstanden“, sagt er, „aus dem
zufälligen Aufeinandertreffen und der Liaison von Dingen. Und aus dem
Materialgedächtnis, das so eine Werkstätte hat.“ Das ist auch der
Punkt, wo der kreative Akt einsetzt. Wo Moises anfängt, die Essenz der
Dinge herauszuarbeiten, um sie dann zu samplen und zu rekombinieren,
sodass sie, wenn sie am Ende als Kunstwerk dastehen, ihrer
ursprünglichen Funktion entledigt sind und so funktionieren, wie es der
künstlerische Plan vorsieht. „Im Grunde haben meine Arbeiten immer
Sampling-Charakter, wie in der Musik.“ Dieses Procedere ist auch für
den Touch von Low-Tech verantwortlich, der so typisch ist für die
Skulpturen des 35-jährigen Innsbruckers, der seit zehn Jahren zwischen
Wien und Berlin pendelt. Neben Anspielungen auf die Kultur- und
Technikgeschichte der letzten Jahrzehnte steckt da auch viel
Experimentierfreude drinnen, Trial & Error und eine Lust am Spiel,
der sich am Ende auch der Betrachter nicht entziehen kann.
Und dann noch eine Rakete. Der
Weg dahin ist oft nicht einfach. „Man muss schon Listen anfertigen“,
sagt Moises, „um die Oberhand zu behalten und zu sehen, was geht und
was nicht geht.“ Ein typisches Beispiel dafür ist „A Rocket Named
Vertigo“: Eine Rakete, gefüllt mit 100 Liter Fango (Heilerde), die nun
anlässlich der Vernissage in Graz erstmals offiziell „gezündet“ wird.
Bis feststand, wie viel Flüssigkeit und Druck es braucht, um sie zum
Abheben zu bringen, fanden allerdings viele gescheiterte Zündversuche
statt.
„Das Schöne an der Rakete ist“, sagt Moises, „dass man
nicht ganz vorhersehen kann, was passieren wird. Man ist intuitiv im
Dialog mit dem Druck und weiß nur, dass etwas passieren wird. Es ist
ein Navigieren ohne Ingenieursplan, nur mit Erfahrungswerten.“ Durch
die Explosion ist auch beim Publikum der Nervenkitzel garantiert, die
Gefahr hält sich dennoch in Grenzen. Moises: „Allfällige Lateralschäden
sind vorhersehbar und bereits eingeplant.“ Denn irgendwo steckt in
Moises’ Skulpturen am Ende doch der Mensch als das Maß aller Dinge,
weil sämtliche Technikbestandteile immer noch aus dem alltäglichen
vertrauten Umfeld stammen.
Arbeiten mit Motoren, Flugobjekte bauen, basteln wie ein Hobbyist: Klar, dass da auch ein augenzwinkerndes Kokettieren mit dem Spieltrieb im Allgemeinen und dem männlichen im Besonderen durchschlägt. „Die Technikwelt ist eine männlich dominierte Welt. Dass ich das mache, hat sicher auch mit Sozialisierung zu tun – damit, dass ich ein Gefangener meines Geschlechts bin. Zugleich aber will ich dieses Männlichkeitsideal eigentlich dekonstruieren, weswegen die Arbeiten immer auch ein wenig vom Scheitern handeln.“