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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
14. Februar 2007
21:58 MEZ
Kunstmarkt: Die Weltrekordroutine
Zwischenbilanz zur Saisoneröffnung

590 Millionen Euro: Gut fünf Jahre müssten heimische Auktionshäuser dafür beste Umsätze liefern. In London braucht das keine fünf Tage.


London - Dieser Auftakt der in London nunmehr offiziell eröffneten Kunstmarktsaison kann sich sehen lassen. Nie zuvor verzeichneten Auktionshäuser auf europäischem Boden vergleichbare Umsätze: Kunst im Wert von umgerechnet gigantischen 590 Millionen Euro wechselte vergangene Woche in der britischen Metropole den Besitzer.

Zum Vergleich: 2006 bilanzierte das Dorotheum bei 89 Millionen Euro mit dem besten Auktionsumsatz in der Geschichte des Hauses, "im Kinsky" schaffte die Höchstmarke 2005 mit 19 Millionen Euro. Auf dem internationalen Kunstmarkt wird man sich nächstens einen neuen Begriff statt des angesichts solcher Zahlen ja schon lahm wirkenden "Rekord" einfallen lassen müssen:

Nicht weniger als 55 zwischen 5. und 9. Februar erteilte Zuschläge markierten einen neuen Auktionsrekord: 26 davon stellte Sotheby's, 17 weitere Christie's, und deren zwölf schaffte Phillips de Pury, die Hälfte davon für chinesische Künstler.

Die Sektionen Impressionist & Modern Art in all ihrer Vielfalt, German & Austrian Art ebenso inkludierend wie die Surrealisten, gaben jedenfalls einen guten Stimmungsmacher. Sotheby's legte hier im Vergleich zum Vorjahr ebenso deutlich zu, wie man Kontrahent Christie's umsatzmäßig überflügelte: In der King Street notierten die Buchhalter einen Spartenumsatz von 21,43 Millionen Pfund (+ 8 %), die Kollegen in der Bond Street stattdessen 26,99 Millionen Pfund, womit Sotheby's im Vergleich zu 2006 eine Steigerung von 32 Prozent lieferte.

Die Gesamtwochensumme dieser Sparte stieg von 40,2 auf 48,4 Millionen Pfund oder 20 Prozent. Den höchsten Zuschlag bewilligte hier ein Bieter bei Sotheby's für Chaim Soutines L'homme au foulard rouge für den Auktionsrekord von 8,75 Millionen Pfund, gefolgt von 6,29 Millionen Pfund, die ein europäischer Privatsammler bei Christie's für Fernand Légers Les maisons dans les arbres bewilligte.

In einem ersten Schritt wechselten innerhalb von drei Tagen 56 Kunstwerke über eine Million Pfund den Besitzer, bis zum Ende der Woche stockte die kauflustige Klientel diese Zahl auf nicht weniger als 90 auf! Angesichts der in London aufmarschierenden Protagonisten zeitgenössischer Kunst verlor das kauffreudige Publikum dann scheinbar jede Hemmung: 83 Besitzerwechsel summierten sich bei Phillips de Pury (6.2.) auf 5,28 Millionen Pfund. Anderntags schickte Sotheby's 79 Kunstwerke über den Evening Sale auf die Bühne, 64 Hammerschläge später klingelten die Kassen bei 45,76 Millionen Pfund.

Neun Weltrekorde

Auktionator Tobias Meyer freute sich über neun Weltrekorde, darunter auch für Peter Doig's White Canoe von 1990/91. Die Taxen für das laut Sotheby's wichtigste Werk des Künstlers, das je auf den freien Markt kam, hatten sich auf 0,8 bis 1,2 Millionen Pfund belaufen. Die Erwartungen für das von Charles Saatchi eingebrachte Werk wurden ebenso deutlich übertroffen wie der bisherige Rekord (Iron Hill, 1,84 Millionen Dollar netto bei Sotheby's, Juni 2006) - sehr zur Freude von Sotheby's, die ihr eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Los auch in der Katalog-Kennzeichnung mit einem kleinen Dreieck festgehalten hatten: 5,73 Millionen Pfund oder 11,3 Millionen Dollar lautete der Endpreis. Weitere Rekorde erzielte man hier für Gerhard Richter (2,82 Mio. Pfund, Abstraktes Bild, 1991), Frank Auerbach (1,92 Mio. Pfund, Camden Theatre in the Rain, 1977), Pierro Manzoni (1,7 Mio. Pfund, Achrome, 1959) sowie Andreas Gursky (1,7 Mio. Pfund, 99 Cent II, Diptych 2001).

Aber da hatte Sotheby's die Rechnung ohne Christie's gemacht, denn anderntags schickte Pilar Ordovas ihre 84 reinrassigen Contemporary & Post-War-Pferdchen ins Rennen, wovon es 82 auch in die Zielgerade schafften und die mit Abstand stärkste europäische Vorstellung lieferten:

Zum Abendresultat von mehr als 106 Millionen Euro oder 70,42 Millionen Pfund (Februar 2006: 37,11 Mio. Pfund) hatte Francis Bacons Study for Portrait II alleine etwas mehr als 14 Millionen Pfund beigetragen. Aus dem Duell zwischen einem Interessenten am Telefon und einem Saalbieter hatte sich schließlich Andrew Fabricant im Auftrag der Richard Gray Gallery für das Ausnahmewerk durchgesetzt, zum zweithöchsten jemals für ein Post-War-Kunstwerk erzielten Preis weltweit.

Auch bei den Day Sales überflügelte Christie's Kontrahent Sotheby's und verzeichnete schließlich ein Spartentotal von 88,7 Millionen Pfund (Sotheby's 63 Millionen), womit sich das Ergebnis zur Vergleichsveranstaltung 2006 um unglaubliche 92 Prozent steigern konnte.

Bis zum Ende der Woche hatten Bieter bei Christie's für Kunstwerke umgerechnet 302 Millionen Euro bewilligt, bei Sotheby's den hauseigenen Rekord von 280 Millionen Euro. Die absolute Mehrheit der Käufer stammt übrigens aus Europa. Sotheby's bezifferte die Zahl der Erstkäufer mit elf Prozent in der Sparte Impressionisten und 19 Prozent bei den Zeitgenossen. (Olga Kronsteiner / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.2.2007)


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