Birnen sind Vegetarier
(cai) Vielleicht hat Albert Oehlen ja eh nicht mehr für die Aufklärung
der Menschheit getan als der "Schulmädchen-Report". Trotzdem: Mit seiner
tabulosen Peepshow, in der er vor dem schamroten Voyeur sein
narzisstisches Liebesleben auspackt, öffnet er uns dermaßen fundamental
die Augen, dass wir uns nachher nicht einmal mehr sicher sind, ob ein
Selbstbildnis von Rembrandt überhaupt jugendfrei ist. Durch ein Guckloch
werden wir nämlich Zeuge einer autoerotischen Schlafzimmerszene. Einer
surreal allegorischen Installation. In einem Bett liegt ein Gemälde (ein
Selbstporträt des Künstlers), das gerade hingebungsvoll "befummelt" wird
von einem Arm, der mit einem Pinsel unter der Bettdecke hervorkommt. Pfui!
Ein Selbstporträt ist also nichts anderes als die Selbstbefriedigung eines
Malers.
Und wenn Matt Mullican unter Hypnose sein Es rauslässt und dabei
gefilmt wird, wie er den niedersten Instinkten frönt (isst, quengelt,
herumkrabbelt), dann ist das auch eine Form von Striptease. Die
Gruppenschau, die Peter Kogler prägnant kuratiert hat, törnt eben die
Netzhaut an und lässt keine Langeweile hinter den Pupillen aufkommen. Oder
hinter der Stirn. Von John Baldessaris opulent konzeptueller
Wandgestaltung kommen die Augen gar nicht mehr los. Die picken wie
mit Superkleber auf dem ikonisch strengen Schwarzweißfoto einer
Topfpflanze, das unterlegt ist mit einer knalligen Tapete voller
Glühbirnen und Erdäpfel. Und die linke Hirnhälfte fragt sich: "Ist das
eine Apotheose der Photosynthese?" Pflanzen werden ja irgendwie mit Licht
betrieben, auch wenn sie es nicht in Kartoffeln umwandeln, aber immerhin
in Kohlenhydrate (oder so). Andererseits kann man Glühbirnen mit
Kartoffeln füttern , sofern man in diese vegetarischen Batterien
vorher einen Kupfer- und einen Zinkdraht steckt. Egal. Wahrscheinlich
werden hier ohnedies bloß die "Grundnahrungsmittel" verherrlicht, aus
denen sich ein alltäglicher Haushalt speist.
Galerie Mezzanin
(Getreidemarkt 14)
Gruppenausstellung
Kurator: Peter Kogler
Bis 15. Juli
Di. bis Fr. 13 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 15 Uhr
Augenfüllend.
*
Arachnomanie
(cai) Er verschnürt seine Opfer mindestens so gründlich wie eine Spinne
ihr Essen. Oder wie ein Paketschnur-Fetischist seine Packerln. Was Walter
Weer fesselt, kann garantiert nicht entkommen (aus eigener Kraft): die
Schachteln und andern Karton-Objekte. Denen verhilft er freilich gern
selber zur Flucht. Kletzelt da und dort was aus ihnen raus oder befreit
die Gefangenen gleich ganz aus ihren leimgetränkten, steifen Fäden.
Ausdrucksvoll schäbige, filigrane Konstruktionen. Manche haben gar die
Aura eines leeren Schreins. Dagegen ist das schwerfällig herumstehende
"Siegestor" eine plumpe Bastelarbeit.
Galerie Feichtner
(Seilerstätte 19)
Walter Weer
Bis 15. Juli
Di. bis Fr. 10 bis 18 Uhr
Sa. 10 bis 16 Uhr
Diskret beseelt.
*
Scharfe Kurven
(cai) Jörg Bach verbiegt Stahl wie unsereins Schuhbänder (die ändern ja
auch dauernd ihre Richtung). Nein, er ist kein paranormaler Löffel- und
Gabel-Verbieger, bei ihm mäandern Vierkantrohre herum. Seine Serpentinen
und Verschlingungen kosten die grobschlächtige Ästhetik des
Handgreiflichen voll aus (was ja seinen Reiz hat) und profitieren von der
schlichten Raffinesse eines kompakten, in sich ruhenden Knäuels. Um sich
zwischendurch suggestiven Schriftzeichen anzunähern. Manchmal ist’ s
allerdings schon sehr ungehobelt und derb.
Galerie Hrobsky
(Grünangergasse 6)
Jörg Bach
Bis 15. Juli
Di. bis Fr. 13 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 15 Uhr
Was Handfestes.
Mittwoch, 05. Juli
2006