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Illustration

Die Stunde der Zwerge

(cai) Eine Froschkönigslotterie wird’ s wohl nicht sein, dass also heiratswillige Damen eine von diesen Amphibien kaufen und dann nicht rubbeln tun, sondern busseln. Und wenn nix passiert, war’ s halt eine Niete. Dann sind die Plastik-Froschkönige, die eine Auflagenstärke haben, als wären sie Komparsen in einer ägyptischen Plage, schon eher Kultobjekte in einem Liebeszauber, wo man sich mit einem Bussi einen Märchenprinzen beim Schicksal bestellt. Eine magische Kontaktanzeige aufgibt sozusagen. Oder sie sind doch bloß Gartenzubehör. Ottmar Hörl hat sich ja jetzt auf Kitsch-Massenszenen spezialisiert und lässt etwa eine poppig eingefärbte Gartenzwerge-Armee beim Exerzieren gerade den Befehl ausführen: "Präsentiert den Stinkefinger!"

Der Gartenzwerg, dieser Hofnarr der Häuslbesitzer, darf sich ja Dinge erlauben, für die würden klassische Statuen sofort in den Kiesweg eingearbeitet werden. Ob die rotweißroten Zwergerln der Österreich-Edition, wo die herzigen Zipfelmützenträger wie die drei Affen weghören, wegschauen und schweigen wie ein Handy mit leerem Akku, der Bawag-Aufsichtsrat sind? Oder das ÖGB-Präsidium?

Dürers Feldhase hat sich ebenfalls vermehrt wie die Karnickel und hat jetzt das Niveau einer Gießkanne (ist aus Kunststoff, unnatürlich bunt und wetterfest). Hörl zieht die "Hohe Kunst" in die Niederungen der Schrebergarten-Folklore herunter. Zum Geschmack (und zu den Geldbörsen) "des Volkes". Alles ist so gradlinig banal, dass mir diese Unverfrorenheit schon imponiert. Wahrscheinlich wäre ich verpflichtet, diese Dinger verbal niederzumetzeln. Aber ich bring’ s nicht übers Herz. Und der Hörl würde womöglich den Delinquentenzwerg vorm Erschießungskommando entwerfen müssen.

Galerie Peithner-Lichtenfels

(Sonnenfelsgasse 6)

Ottmar Hörl

Bis 13. Juli

Di. bis Fr. 10 bis 18 Uhr

Sa. 10 bis 16 Uhr

Volkstümlich.

*

Kontinentaldrift

(cai) Er richtet seine Bilder ein wie ein buddhistischer Mönch seinen Zen-Garten. Der hat beim Arbeiten ja auch nicht den Puls eines Mittelstürmers. (Weil er den Sand nicht aktionistisch kämmt.) Beim Hubert Fischlhammer hat alles seine "heilige" Ordnung und seinen Platz. In der Natur ist er sowieso wählerisch wie ein Schwammerlsucher. Als Souvenirjäger. So einer war er jetzt auch im Krankenhaus. Und hat die Andenken an seinen dramatischen Herzinfarkt vom Vorjahr (sein Namensetikett oder welke Blätter, Metaphern der Sterblichkeit, vom Gelände des Rehazentrums) in seine angenehm schallgedämpften Bilder eingeklebt. Daneben tauchen immer wieder botanische Erinnerungsstücke von seinem Sehnsuchtskontinent Afrika auf, der für ihn nun noch ein bissl weiter in den Süden abgedriftet ist. Eigentlich "Ansichtskarten" aus der Ruhe nach dem Sturm. Von den Aufräumarbeiten. Analytisch und trotzdem melancholisch sinnlich. Gefühlvoll streng eben.

St.-Anna-Kapelle

(Asperner Heldenplatz 9)

Hubert Fischlhammer

Bis 26. Juni

Mo., Fr. 18 bis 20 Uhr

So. 10.30 bis 11.30 Uhr

Ausgereift.

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Wahre Sonnenanbetung

(cai) Roger Ackling ist ein ausgefallener Openair-Künstler. Er fügt mit einer Lupe vorsätzlich Sonnenbrände zu. Freilich nicht bei dösenden Badegästen. Mit seinem unbarmherzig akribischen Solar-Pointillismus verziert er hölzerne Knäufe von Schubladen. Oder Wäscheklammern. Macht im Zeitalter der Hektik mit heldenhafter Geduld schwarze Punkte. Selbstaufopfernd. Und lädt unscheinbare Holz-Winzlinge mit charismatischer Energie auf.

Galerie Lindner

(Schmalzhofgasse 13)

Roger Ackling

Bis 30. Juni

Di. bis Fr. 14 bis 18 Uhr

Begehrenswert.

Mittwoch, 21. Juni 2006


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