diepresse.com
zurück | drucken

29.12.2005 - Kultur&Medien / Kommentare
Meinung: Die Faulheit im Denken
ALMUTH SPIEGLER

G
leich mehrere Missverständnisse sorgten gestern dafür, dass popu listische Titel wie "EU-Werbung mit Porno-Plakaten" die latente Stimmung gegen zeitgenössische Kunst wieder einmal anheizen konnten. Erstens dürfen gute Künstler nicht zu Werbegrafikern verniedlicht werden. Auch - und gerade - wenn sie für den öffentlichen Raum, wie hier im Rahmen eines EU-Projekts von "25 Peaces", um ihre Äußerung gebeten wurden.

Sie haben nicht nur die Freiheit, sondern die Pflicht, uns aufzurütteln und uns so andere Sichtweisen zu schenken. Mit denen muss niemand einverstanden sein. Aber man sollte sie ernst nehmen - und nicht oberflächlich in absichtlich ausgelegte Fallen tappen. Ohne Provokation müssen kompliziertere kritische Botschaften vor der urbanen Bilderflut aus Logos und Leuchtreklamen unweigerlich kapitulieren. Es ist letztendlich also unsere Gesellschaft selbst, die Künstler zwingt, zu derart radikalen Mitteln wie in diesem Fall zu (angedeuteten) pornografischen Abbildungen zu greifen.

So hat jede Gesellschaft also selbst die Aufgabe, mit ihrer Kunst umzugehen. Dazu gehört etwa auch, den eigenen Kindern - um deren Unschuld man sich eher in unbeobachteten Stunden vor dem vernetzten Computer Sorgen machen sollte - das Gesehene verständlich zu erklären.

Die Kunst muss hier keine Verantwortung übernehmen. Aber für Faulheit im Denken gab es immer schon jede Menge Ausreden. (Bericht: Seite 23)

almuth.spiegler@diepresse.com

© diepresse.com | Wien