Salzburger Nachrichten am 14. Oktober 2004 - Bereich: kultur
KUNST
Cameron Jamie in Graz Sein Beitrag war das Glanzlicht zur diesjährigen Eröffnung des
"steirischen herbstes". Cameron Jamies Film "JO" sorgte in Verbindung mit
der Live-Aufführung des Soundtracks von Keiji Haino für Irritationen in
der proseccotrunkenen Auftaktslaune. "JO" ist ein brutal geschnittener
Bildermix über die Degeneration in unterschiedlichen Bereichen: Cameron
Jamie verknüpft auf drastische Weise erzkatholischen, europäischen Kult
mit US-Alltagsperversionen. In Jamies Heimat werden knusprige Pommes Frites "Joan of Arc style" genannt. Der
obsessive Forscher in subkulturellen Schattenreichen verknüpft im Grazer
Künstlerhaus (bis 24. 11.) über Film, Fotos und Zeichnungen die von
Rechtsradikalen vereinnahmte Heiligenverehrung in Orleans mit einem
"Eating-Contest" auf Coney Island, wo der aus Japan kommende Sieger 53 Hot
Dogs in nur 12 Minuten verschlungen hat. Jamies Film ist eine nicht
unbeschwerliche Reise zu einer verkommenen Welt der Rituale, eine
Bestandsaufnahme einer Gesellschaft, die nicht nur aus moralischer Sicht
am Abgrund steht. Der Film steht im Dialog mit betörenden Klangwelten aus der Werkstatt des japanischen
Avantgardemusikers Keiji Haino. Der vom Noise-Spezialisten mit der
Stromgitarre ausgebreitete Klangteppich beginnt zart, wechselt aber schon
bald zu sinnlich erfahrbarer Brachialität: energiegeladenes Spiel,
beeinflusst von Heavy Metal und Neuer Musik. m. b. |