Kunst und Technik - eine Einheit

Auf der EXPO gibt es nicht nur Menschen, Natur und Technik. Es gibt auch Kunst - dazwischen. Von Roland Schöny.


"In Between" heißt eines der bis dato größten Kunstprojekte im öffentlichen Raum. Die beiden Kuratoren Kasper König und Wilfried Dickhoff hatten für diese Intervention zwischen den Länderpavillons und Themenparks ein Budget von 12 Millionen Mark zur Verfügung. Cathrin David hatte, im Vergleich dazu, auf der letzten documenta in Kassel mit 10 Millionen Mark ihr Auslangen zu finden.

Kunst und Kommerz

Kunst auf der EXPO - wo sich bis zu 300.000 Besucher täglich am Angebot der multimedialen Themenparks begeistern sollen und die Einzelveranstaltungen der Länder kaum zu überblicken sind - klingt das nicht ein wenig nach "Cezanne im Supermarkt"? Umgekehrt - war diese EXPO nicht von Anfang an als reine Leistungsschau der Wirtschaft geplant?

Es ging also darum, Projekte zu konzipieren, die spielerisch auf das Spektakel reagieren und sich dennoch als eigenständig behaupten. Im Vergleich zum Milliarden-Aufwand der EXPO scheint es daher plausibel, dass umgerechnet mehr als 80 Millionen Schilling für die Kunst zur Verfügung gestellt wurden.

Weniger ist mehr

Kurator Kasper König, der unter Insidern als längster Nicht-documenta-Leiter gilt, wurde nun in der deutschen Ausgabe der Financial Times als mächtigster Kunstmanager Deutschlands porträtiert. Gemeinsam mit Wilfried Dickhoff hat er sich entschieden, insgesamt nur 12 Projekte zu realisieren.

Manche der Künstler gehen ironisch mit der Situation um. Etwa die österreichische Gruppe Gelatin, deren Installation sich nur dann erschließt, wenn die Besucher durch einen engen Unterwassertunnel tauchen. Die niederländische Künstlerin Lilly van der Stocker wiederum hat eine der Ausstellungshallen wie ein rosa Bonbon verpackt. Mit ihrer Dekoration setzt sie einen deutlichen Kontrapunkt zu all den Ankündigungsplakaten für die Themenparks, wo ernsthafte Inhalte sensationell wie Hollywoodfilme angekündigt werden. In Between, das bedeutet offenbar mit Zwischenräumen, mit Zwischenarchitekturen zu arbeiten.

In Pinocchios Hintern

Das geht mitunter bis zur witzigen Provokation. Der amerikanische Aktionskünstler Paul McCarthy, dem es trotz weltweiter Erfolge gelungen ist, immer noch wie eine Underground-Figur aufzutreten, hat eine kleine Schokoladenfabrik errichten lassen - einen Souvenirladen, der aussieht wie eine überdimensionale Pinocchio-Figur. Im Inneren kann man kleine Schokoladefiguren als Mitbringsel kaufen, doch man betritt den Laden von hinten - durch das Hinterteil Pinocchios.

Der Schweizer Roman Signer hat eine drehbare Fahneninstallation auf dem Messeturm von Hannover bauen lassen. Da stellt sich dann doch die Frage, ob das nicht angestrengte Versuche der Künstler sind, sich inmitten der tausend anderen Attraktionen einfach zu behaupten.

"Es besteht die Gefahr, als Symbol des Kapitalismus zu funktionieren", weiß Kurator Wilfried Dickhoff um die Schwierigkeiten des Projekts, schränkt aber gleich ein, dass es umgekehrt auch das Kapital des Symbolismus gebe. "Und da kennt sich die Kunst ja aus." König und Dickhoff wollten keine "dumm-platten Anti-Haltungen, die das reproduzieren, wogegen sie sich zu wehren glauben", sondern versuchen sich gegen Vereinnahmungen zu wehren, indem sie ihre Projekte im Zwischenraum ansiedeln. Intermezzi, die sich der leichten Interpretation entziehen, wollten die Kuratoren liefern.

Argumentationskrücken

Ungewöhnliche Begriffskonstruktionen sind notwendig, um die Haltungen des Projektes "In Between" abzustützen. Wilfried Dickhoff spricht etwa von Distanz in Unmittelbarkeit. Oder von Reaktivierung klassischer Formen der Kunst, die in der Fachwelt zwar abgehandelt sind, dem Massenpublikum ab längst nicht bekannt seien. Immerhin werden 40 Millionen Besucher auf dem EXPO-Gelände erwartet.

Dickhoff meint, das Projekt "In Beetwen" sei für viele eine Gelegenheit, vielleicht erstmals Werke von Rosemarie Trockel, Albert Oehlen oder Tobias Rehberger kennenzulernen - ohne den Bildungsdruck zu erfahren, der im Museum herrschen würde.

Große Bandbreite

Die Projekte auf der EXPO sind so angelegt, dass verschiedene Stile und Ausdrucksformen ins Spiel gebracht werden. Albert Oehelen etwa hat ein - zuvor digital entworfenes - Selbstporträt als Mosaik anlegen lassen. Ein Monumentalgemälde, das nicht öffentliches Dekor, sondern Selbstdarstellung des Künstlers ist.

Entworfen von dem Kölner Künstler Albert Oehlen erstreckt sich das aus sechs Millionen italienischer Bisazza-Mosaiksteinen bestehende Kunstwerk über eine Fläche von 2.500 Quadratmetern. / ©Bild: APA
Entworfen von dem Kölner Künstler Albert Oehlen erstreckt sich das aus sechs Millionen italienischer Bisazza-Mosaiksteinen bestehende Kunstwerk über eine Fläche von 2.500 Quadratmetern. / ©Bild: APA

Der lateinamerikanische Künstler Gabriel Orosco wiederum ironisiert die Repräsentationssymbolik von Weltausstellungen, indem er eine Mini-Riesenrad aufstellen ließ. 12 Meter Durchmesser hat es.

Dass es zum Teil in den Boden versenkt wurde, ist offenbar eine Anspielung auf den Albtraum jedes Schauspielers, dessen Gerätschaft im Schlamm versinkt. Macht man eine Gondelfahrt, so begibt man sich kaum stolz in die Höhe. Vielmehr ist es, als würde man in eine Zeche einfahren, um dann wieder ans Tageslicht zu gelangen. Mit einer Umdrehung könne man Unterwelt und Olymp erfahren.

Um versteckte, kleine, liebevoll gestaltete Sensationen geht es da, weniger um große Widerstandsgesten. Solche seien im Feld der Kunst nur in speziellen Situationen möglich, meint Wilfried Dickhoff, etwa als Spanien 1937 auf der Weltaustellung in Paris dezidiert gegen die Teilnahme des nationalsozialistischen Deutschland protestierte.

Die Situation heute sieht Dickhoff grundsätzlich anders, geht es doch in Zeiten der Indifferenz und Austauschbarkeit darum "zu klären, was man trotzdem machen kann. Es geht um ein Dennoch."

Link: In Between

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