Salaam Bombay | |
Die größte Filmindustrie der Welt ist in Indien beheimatet. |
Das indische Kino ist auf dem Vormarsch.
Die Festivalerfolge von Mira Nair wurden zuletzt mit dem Juryvorsitz in
Berlin belohnt. Die Oscar-Nominierung für den Film Lagaan hat
in Indien Jubel ausgelöst. Und erst Anfang der Woche wurde das
Bombastmusical Moulin
Rouge des Australiers Baz Luhrman mit zwei Oscars belohnt. Der
aggressive Stilmix aus opulenten Kostümen, bizarren Dekors und Hitsongs
verdankt sich der Bezugnahme auf die größte Filmindustrie der Welt, und
die ist definitiv nicht in Hollywood beheimatet. Massenproduktion Das indische Gegenstück, nach seinem wichtigsten Produktionsort Bombay
"Bollywood" genannt, produziert jährlich zwischen 800 und 900 Filme. Von
den 12 Millionen Zuschauern, die sie täglich (!) finden, können
US-amerikanische Studiobosse nur träumen. Der 1957 gedrehte Film "Mutter Indien" gilt überhaupt - noch vor dem
Klassiker "Vom Winde verweht" - als der meistgesehene Film überhaupt. In
seiner Heimat ist er praktisch nie aus den Kinos gekommen. Hollywood wird nervös Eine Studie, die Ende März von der Universität von Los Angeles
veröffentlicht wurde, hat es klar dokumentiert: In Hollywood gingen im
vergangenen Jahr fast 18.000 Jobs verloren. Gründe seien neben technischen
Umstellungen - Disney entließ klassische Zeichner zu Gunsten von
Computeranimatoren - die Auslagerung von Filmproduktionen. Hollywood werde in Zukunft eher zu einem "Ideen-Zentrum" werden,
während die Filme anderswo produziert würden, meinte der
Wirtschaftswissenschaftler Christopher Thornberg bei der Präsentation. In
dieser Hinsicht werde Hollywood der High-Tech-Schmiede Silicon Valley
ähneln, "wo die Ideen geboren werden, aber produziert wird in Asien". Epische Tradition Die originären indischen Streifen unterscheiden sich von
Kassenschlagern westlicher Machart allerdings wesentlich. Nicht so sehr um
eine nacherzählbare Handlung geht es da, als vielmehr um ein üppig buntes
Patchwork aus melodramatischen Spielfilmszenen, Gesangseinlagen und
Revuenummern. Strukturell sind diese Arbeiten klassischen indischen Epen,
wie dem Mahabarata, viel eher verwandt als herkömmlichen westlichen
Filmgenres. Populäre indische Filme dauern etwa drei Stunden, geizen weder mit
opulenten Schauwerten, noch mit ungeniertem product placement und
können durch abrupte Genrewechsel westliche Betrachter durchaus
irritieren. Indiens Nouvel Vague Abseits solcher in Indien überaus populärer Mainstream-Filme hat sich
in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts - begünstigt durch ein
einschlägiges Gesetz - ein realitätsnäheres Kino entwickelt. Namen wie der
erst kürzlich vom österreichischen Filmmuseum wiederentdeckte Ritwik
Ghatak wurden via Festival-Erfolg auch im Westen bekannt. Er und seine Kollegen dürfen parallel der französischen Nouvel Vague
durchaus als Vertreter eines dezidiert nicht-kommerziellen Kinos angesehen
werden, das etwa auch die Rolle der Frau in der indischen Gesellschaft
einer anderen Beurteilung unterzieht als die Unterhaltungsfilme. Indisch-westliche Annäherung Diese erfreuen sich mittlerweile auch im Westen wachsender Beliebtheit.
"Moulin Rouge", aber auch der Thriller "The Cell" haben sich ganz
ungeniert aus dem indischen Formenfundus bedient. Dazu kommt die immer
noch wachsende Bekanntheit indischer RegisseurInnen im Westen. Nicht ohne
Grund wurde Mira Nair, bekannt durch Filme wie "Salaam Bombay" oder
"Monsoon Wedding", heuer mit der Leitung der Jury der Berliner
Filmfestspiele betraut. Nach Jahrzehnten der Wertschätzung des fernöstlichen Kinos könnte nun
weltweit eine Ära des indischen Films anbrechen. Bollywood steht vor der
Tür. Links Bollywood.com | ||