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08.02.2002 - Ausstellung
Pünktchen im Spiegelkabinett
Yayoi Kusama, japanische Künstlerin, zeigt in der Kunsthalle Wien schöne Spiele mit Spiegelungen des Raumes. Sagen wir aber nicht "Universum" dazu!
VON THOMAS KRAMAR


"Ein sich ausweitendes und visuelles Universum" sieht der Wandtext in Yayoi Kusamas Installationen, Kuratorin Sabine Folie sprach von einem "Universum von Kusamas Arbeit" und einem "Universum, in dem es keine Mitte gibt". Mit diesem Universum werde man durch Malen von Punkten eins, von "Polka dots", die Kunsthallendirektor Gerald Matt, ebenfalls astronomisch ausholend, als "Wurmlöcher" sehen wollte, in denen das Subjekt verschwimme.

Ach ja, das Universum, das gute alte All. So beliebt es im sogenannten Kunstdiskurs als Metapher (seit einigen Jahren gern mit dem Adjektiv "parallel") ist, so wenig erfüllt es unsere ästhetischen Wünsche. Unstet und in sich flüchtig, in unordentlichen Clustern leidlich bekannter Materie strukturiert, sucht man in seiner Erscheinung im Großen vergeblich etwa nach Spiegelsymmetrien. Viel mehr Symmetrie finden wir in unseren Theorien, die es beschreiben sollen.

Und, natürlich in Kristallen und in Blumen. In den spiraligen Blüten der Sonnenblumen etwa: In solche versenkt sich Kusama starräugig in ihrem Video "Flower Obsession", um sich dann auf einem Feld von ihnen bedecken, verblümen zu lassen, bevor sie die Blüte wieder an sich zieht. Dazu kombiniert sieht man ältere Videos, Szenen aus den so rührend unschuldig anmutenden Orgien und "Love-Ins" der sechziger Jahre: Hier sind Blumen sanfte Waffen, (noch) ohne den bitteren Unterton, den Lou Reed hatte, als er "Hit me with a flower" sang.

Mitten im Kristallgitter

Die "Polka dots", in Europa eher mit den Fünfzigern und naiven Bikini-Schlagern assoziiert, sind Kusamas zweites Lieblingsmotiv seit den Sechzigern. Auch die Räume, die sie in den letzten Jahren so ausgekleidet hat, wirken wie Kinderspiel-Höhlen - zurück in den Garten, in den Leib - sogar wenn sie von schwarzem Licht durchzuckt werden. Solange nicht eine weitere Obsession Kusamas - sie liebt dieses Wort - dazukommt: die wiederholte Spiegelung, die den Raum immer wieder abbildet, bis in eine erahnte Unendlichkeit hinein. Hier wird auch der Betrachter zu einem Atom in einem Kristallgitter, von erbarmungslosen Translationsvektoren immer weiter kopiert. Wie viel gnädiger sind die konvexen, Rundungen in Rundungen packenden Spiegel in "Invisible Life"!

Bestechend einfach ist die Installation "Ladder to Heaven": auch eine Translation, aber in der Vertikalen, himmel- und erdwärts - und das wirkt ganz anders. Man mag an den Traum Jakobs von der Himmelsleiter denken oder an den Alptraum von Liften ohne letzten Stock - dieses Werk führt vor, wie speziell die z-Koordinate ist.

Banausisch gesagt: In dieser Schau wird man nicht eins mit dem Universum (was angesichts dessen großteils eher unangenehmen Eigenschaften wohl auch nicht so fein wäre), aber man erlebt wunderbare Spiegelkabinette und wunderliche Wohnzimmer, sieht Blumen und Pünktchen, für deren Reiz, dargeboten etwa auf alten Tapeten, man wohl sonst blind wäre.

Bis 28. April, tägl. 10 bis 19 Uhr, Do. 10 bis 22 Uhr.



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