"Ein sich ausweitendes und visuelles Universum" sieht der
Wandtext in Yayoi Kusamas Installationen, Kuratorin Sabine Folie sprach
von einem "Universum von Kusamas Arbeit" und einem "Universum, in dem es
keine Mitte gibt". Mit diesem Universum werde man durch Malen von Punkten
eins, von "Polka dots", die Kunsthallendirektor Gerald Matt, ebenfalls
astronomisch ausholend, als "Wurmlöcher" sehen wollte, in denen das
Subjekt verschwimme.
Ach ja, das Universum, das gute alte All. So beliebt es
im sogenannten Kunstdiskurs als Metapher (seit einigen Jahren gern mit dem
Adjektiv "parallel") ist, so wenig erfüllt es unsere ästhetischen Wünsche.
Unstet und in sich flüchtig, in unordentlichen Clustern leidlich bekannter
Materie strukturiert, sucht man in seiner Erscheinung im Großen vergeblich
etwa nach Spiegelsymmetrien. Viel mehr Symmetrie finden wir in unseren
Theorien, die es beschreiben sollen.
Und, natürlich in Kristallen und in Blumen. In den
spiraligen Blüten der Sonnenblumen etwa: In solche versenkt sich Kusama
starräugig in ihrem Video "Flower Obsession", um sich dann auf einem Feld
von ihnen bedecken, verblümen zu lassen, bevor sie die Blüte wieder an
sich zieht. Dazu kombiniert sieht man ältere Videos, Szenen aus den so
rührend unschuldig anmutenden Orgien und "Love-Ins" der sechziger Jahre:
Hier sind Blumen sanfte Waffen, (noch) ohne den bitteren Unterton, den Lou
Reed hatte, als er "Hit me with a flower" sang.
Mitten im Kristallgitter
Die "Polka dots", in Europa eher mit den Fünfzigern und
naiven Bikini-Schlagern assoziiert, sind Kusamas zweites Lieblingsmotiv
seit den Sechzigern. Auch die Räume, die sie in den letzten Jahren so
ausgekleidet hat, wirken wie Kinderspiel-Höhlen - zurück in den Garten, in
den Leib - sogar wenn sie von schwarzem Licht durchzuckt werden. Solange
nicht eine weitere Obsession Kusamas - sie liebt dieses Wort - dazukommt:
die wiederholte Spiegelung, die den Raum immer wieder abbildet, bis in
eine erahnte Unendlichkeit hinein. Hier wird auch der Betrachter zu einem
Atom in einem Kristallgitter, von erbarmungslosen Translationsvektoren
immer weiter kopiert. Wie viel gnädiger sind die konvexen, Rundungen in
Rundungen packenden Spiegel in "Invisible Life"!
Bestechend einfach ist die Installation "Ladder to
Heaven": auch eine Translation, aber in der Vertikalen, himmel- und
erdwärts - und das wirkt ganz anders. Man mag an den Traum Jakobs von der
Himmelsleiter denken oder an den Alptraum von Liften ohne letzten Stock -
dieses Werk führt vor, wie speziell die z-Koordinate ist.
Banausisch gesagt: In dieser Schau wird man nicht eins
mit dem Universum (was angesichts dessen großteils eher unangenehmen
Eigenschaften wohl auch nicht so fein wäre), aber man erlebt wunderbare
Spiegelkabinette und wunderliche Wohnzimmer, sieht Blumen und Pünktchen,
für deren Reiz, dargeboten etwa auf alten Tapeten, man wohl sonst blind
wäre.
Bis 28. April, tägl. 10 bis 19 Uhr, Do. 10 bis 22
Uhr.
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