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Kunstberichte

Sommerliebe, Stör und Schmetterling

Secession: Piotr Uklanski und Tue Greenfort zielen mit ihren Arbeiten auf die Verunsicherung des Betrachters
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- Tue Greenfort: „Cocacolacondensationcube“.  Foto: Greenfort

Tue Greenfort: „Cocacolacondensationcube“. Foto: Greenfort

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- Ein Blick auf die von Piotr Ukla ñ skis gestaltete Bildwand.  Foto: Secession/Pez Hejduk

Ein Blick auf die von Piotr Ukla ñ skis gestaltete Bildwand. Foto: Secession/Pez Hejduk

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

"Berühmtheit interessiert mich, weil man daraus ein Spiel machen kann", sagt der Dekonstrukteur von Medienbild und Künstlerstar Piotr Uklanski aus Polen. Er schlüpft schon einmal in die Rolle berühmter Zeitgenossen wie Roman Polanski oder Christian Boltanski und verunsichert jede Erwartungshaltung der Betrachter. Statt der angekündigten autobiografischen Arbeit über die soziale Lage seiner Mutter hat er sich für die Ausstellung in der Wiener Secession für eine angebliche Retrospektive entschieden, die schon mit einer Wand der Verweigerung beginnt.

Im Hauptraum der Secession ist statt einer Ikonostase zum Altarbereich hin, wo einst Max Klingers Beethovenstatue stand, eine verkehrte Bilderwand zum Eingang gerückt, auf deren Rückseite sich verschiedene Themen und Medien gruppieren.

Hollywoodstars wie Marlon Brando tauchen in Soldatenuniform auf – nicht selten der nationalsozialistischen. Der polnische Staatsadler aus Styrofoam in der Mitte und seitlich die Moskauer rote Kathedrale aus buntem Schokoladenpapier begleiten scheinbare Rothemdenaufmärsche, ein "Sammler" ist in einer Farbfotografie zum Knochenmann durchleuchtet. Als Ort der Abwesenheit ist dazu eine Insel mit Arbeitsmaterial und Koffer arrangiert und konterkariert die bürgerliche Vorstellung vom Künstlergenie, das als Spielstein neben recycelten Elementen kenntlich wird.

Der in Berlin lebende dänische Künstler Tue Greenfort bringt Quallen, Schmetterlinge und das Schicksal des ausgebeuteten Belugastörs in die restlichen Räume der Secession. Seine Kaviarbar reaktiviert das ehemalige Café des Hauses, und in der Galerie führt eine Performerin drei Mal in der Woche exotische Schmetterlingsarten vor, deren Lebensraum bedroht ist.

Auf Wien bezogen arbeitet der Künstler mit dem Naturhistorischen Museum, dem Schmetterlingshaus, dem WWF, aber auch mit dem Finanzministerium und Zollamt zusammen. Seine wissenschaftliche Strategie erlaubt ihm sein Engagement, involviert ihn aber nicht als Künstler. Dazu teilt er mit Uklanski die Meinung, dass die politisch korrekte Kunstphase der Neunzigerjahre ein Vortäuschen war. Beide zeigen ohne Feigenblatt Projekte, die nicht nur das spezifische Kunstpublikum zum Denken anregen soll. Auch Greenfort nimmt sich andere – vor allem Hans Haacke – zum Vorbild, füllt aber in den "Kondensationswürfel" aus Glas Römerquelle-Mineralwasser. Sein Quallenschwarm aus Muranoglas gibt der Schau den Titel: "Medusa" – neben dem "Kohlweißling" ein ironischer Hinweis auf die menschenähnlich angepassten "Schädlinge."

Piotr Uklanski
Tue Greenfort
Secession
Zu sehen bis 18. November
Perfekte Täuschung.

Donnerstag, 20. September 2007


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