Nette figurale Welt

In der Nachfolge Francis Picabia präsentiert die Kunsthalle Wien 18 realistische zeitgenössische Malerpositionen.


Unter dem Titel "Lieber Maler, male mir..." widmet sich die Kunsthalle Wien eines in der Bildenden Kunst des 20. Jahrhunderts stark diskutierten Themas: dem Realismus.

Martin Kippenberger (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: Galerie G. Capitain
Martin Kippenberger (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: Galerie G. Capitain

Der Titel stammt von einer gleichnamigen Ausstellung des deutschen Malers Martin Kippenberger, 1981. Damals beauftragte der Künstler einen Plakatmaler für die Ausführung einer Reihe hyperrealistischer Gemälde. Kippenberg wollte damit zeigen, dass die Figur des Malers austauschbar ist. Demnach ist die Person des Malers nicht vertrauenswürdig, wie auch die Vorlagen aus den Massenmedien für die Bilder mehrdeutig, gefügig und trügerisch sind.

Infragegestellter Autor

Die radikale Haltung Kippenbergers dem Begriff der Authentizität der figuralen Malerei gegenüber könnte eine von allen KünstlerInnen dieser Ausstellung geteilte Position darstellen. Obwohl sie unterschiedliche und manchmal widersprüchliche Antworten auf hier aufgeworfene Fragen liefern, eint sie eine Strategie der Provokation, der kritischen Distanz und der Ironie.

Sie mischen Realismus und Kitsch, Akademismus und volkstümliche Stile. Ihre Malerei pendelt zwischen technischer Virtuosität und gewollter Mittelmäßigkeit. Diese Dimension des Spielerischen ist eine indirekte Herausforderung an die historischen Werte und an die ideologischen Programme, die den Begriffen von Stil und Technik zugrunde liegen.

Menschliches Subjekt

Luc Tuymans / ©Bild: Felix Tirry, Antwerpen
Luc Tuymans / ©Bild: Felix Tirry, Antwerpen

Indem sie sich radikal von der traditionellen Porträtkunst verabschieden, nehmen die KünstlerInnen das Bild des menschlichen Subjekts zum Ausgangspunkt ihrer Arbeit - wobei das Subjekt fast niemals nach dem natürlichen Vorbild gemalt wird. Stattdessen wird das Originalmaterial ihrer Arbeit oft den Fotografien, dem Film, den Fernsehbildern, der Presse, den Kanons der Kunstgeschichte entnommen. Oder es wird konstruiert ausgehend von fiktiven Gestalten der vorhandenen visuellen und gesellschaftlichen Codes.

Tod des figurativen Realismus

Auch sind die hier versammelten KünstlerInnen weit davon entfernt, an den immer wieder angekündigten Tod der figurativen Malerei zu glauben. Sie finden in ihr vielmehr eine Quelle der Freiheit gegenüber den Dogmen der Geschichte. "Lieber Maler, male mir..." möchte nachweisen, dass die figurative Malerei voller Vitalität ist, dass sie fähig ist, konzeptuelle Inhalte zu vermitteln und gleichzeitig eine Quelle visuellen Vergnügens darstellt.

Realismus im Verruf

Wie sehr der Realismus seit Beginn des 20. Jahrhunderts in Verruf kam zeigen zahlreiche innerkünstlerische Debatten und Kriegserklärungen der Avantgarde. Es wurde immer wieder in Zweifel gezogen, dass realistische Malerei die Bedingtheit des Menschen in der Moderne darstellen könne. Besonders abgelehnt wurde der figurative Realismus, als er von seiten des Nationalsozialismus mißbraucht wurde oder sich in den Dienst dieser Sache stellte. Auch der sozialistische Realismus mit seinen wogenden Weizenfeldern und Verherrlichungen des Arbeiter- und Bauernstandes trug das übrige zur Diskreditierung einer realistische Malweise bei.

Aber es gab auch Verteidiger einer realistischen Malweise seitens Exilierter, die sich freilich nicht vor den Karren einer Ideologie spannen ließen. So kam in den 30er Jahren zu einem heftigen Briefwechsel zwischen in Exil vertriebener Angehöriger der Frankfurter Schule, die eine realistische Darstellungsweise favorisierten und sie als einen künstlerisch wertvolles Gegenprojekt zur Moderne betrachteten.

Brennpunkt Kunsthalle

An diese Idee der Frankfurter Schule möchte die Ausstellung anknüpfen. Wie (selbst)ironisch, spielerisch und kokett die einzelnen Malerpositionen vorgetragen werden wird in der Kunsthalle Wien zu entdecken sein.

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