Ein Haufen Fett liegt auf dem Sessel. Beuys schaut aus
dem Himmel auch auf Indien herab. Die dortigen Künstler sind dankbar,
schauen zurück. Wie Atul Dodiya, der sich für eine ganze Bildserie von
"German Measels" also "Deutschen Masern" angesteckt fühlt.
"Fat" und "Chair" liest man in den Ecken einer von ihm in
Emailtechnik bemalten Laminat-Tafel. In der Mitte des Bildes steht ein
Sessel mit besagtem Fettkeil darauf. Im Hintergrund blickt Caspar David
Friedrichs Wanderer über sein berühmtes Gebirge. Ganz gegenständlich, sehr
bunt spielt sich das neben einer eindeutig als indisch identifizierbaren
Familienszene ab - und ist in typisch indischem Idiom, in jenem der
bekannten Plakatmaler, ausgeführt.
Der indische Kunstblick fällt gerne in den Westen, ist
polystilistisch interessiert, verneint aber seine eigene Identität nicht.
Tradition und Aufbruch reiben sich aneinander in dieser größten Demokratie
der Erde, mit ihren vielen Ethnien. Das erzeugt eine ungeheure Vielfalt,
also auch in der Kunstproduktion. Deren jüngste Ergebnisse versucht man in
der Kunsthalle im Museumsquartier zu präsentieren, freilich nur in
Ausschnitten.
Die diversen Spielarten und Lebensweisen der indischen
Gesellschaft führt die Photographin Dayanita Singh in ihrer Serie von
Frauenporträts vor. Im Sari oder im Minirock, in unterschiedlichen
Kulissen, im an New York erinnernden Appartement oder im gediegen im
Kolonialstil eingerichteten Salon trifft man die Protagonistinnen ihrer
Aufnahmen.
Duchamp und Man Ray mischen sich in einem am Wasserhahn
angehängten Stachel-Bügeleisen: Das kleine Blatt stammt aus einer Serie
von anspielungsreichen, handkolorierten Radierungen von Surendran Nair.
Wenig weiter verweben sich schicksalhaft die Mythologien in den Händen von
Ariadne und Scheherazade unter dem Titel "The Labyrinth of Eternal
Delight".
Von sozial- und religionskritischen Arbeiten in
Installation und Video bis zur Hinterfragung des Frauenbildes bei Sonia
Khurana berichtet die Schau. Küssen ist für Filmheldinnen aus "Bollywood"
verboten: Darauf spielt Khurana an, wenn sie im kinetischen
cinematographischen Objekt eine Filmdiva in überzogenen Gesten der
Liebes-Entzückung wirbeln läßt. In ihrer, in Indien ob seiner angeblichen
"Anstößigkeit" angefeindeten Videoinstallation "Bird" hebt ein nackter
Frauenkörper zum Befreiungstanz an. Mit dem Mist heiliger Kühe beschmiert
wankt Subodh Gupta einem Golem gleich durchs Video.
Über die Kunst hinaus soll ein Symposium mit Workshop zur
Verständigung beitragen: Von 26. bis 28. April möchte "Kapital & Karma
- Indische Dialoge mit Europa" zeigen, daß Indien mehr sein darf, als das
Wissen um den Computer oder die Kochkunst des Inders um die Ecke.
Bis 9. Juni; täglich 10 bis 19, Do. 10 bis 22 Uhr.
© Die Presse | Wien