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29.03.2002 - Ausstellung
"Kapital & Karma" heißt eine Ausstellung in der Kunsthalle Wien
Die Ausstellung spürt aktuellen Kunstpositionen aus Indien nach. Ein Einblick in eine ferne, vielfältige Welt, in der auch Beuys als indischer Plakatmaler auftreten darf.
VON STEFAN MUSIL


Ein Haufen Fett liegt auf dem Sessel. Beuys schaut aus dem Himmel auch auf Indien herab. Die dortigen Künstler sind dankbar, schauen zurück. Wie Atul Dodiya, der sich für eine ganze Bildserie von "German Measels" also "Deutschen Masern" angesteckt fühlt.

"Fat" und "Chair" liest man in den Ecken einer von ihm in Emailtechnik bemalten Laminat-Tafel. In der Mitte des Bildes steht ein Sessel mit besagtem Fettkeil darauf. Im Hintergrund blickt Caspar David Friedrichs Wanderer über sein berühmtes Gebirge. Ganz gegenständlich, sehr bunt spielt sich das neben einer eindeutig als indisch identifizierbaren Familienszene ab - und ist in typisch indischem Idiom, in jenem der bekannten Plakatmaler, ausgeführt.

Der indische Kunstblick fällt gerne in den Westen, ist polystilistisch interessiert, verneint aber seine eigene Identität nicht. Tradition und Aufbruch reiben sich aneinander in dieser größten Demokratie der Erde, mit ihren vielen Ethnien. Das erzeugt eine ungeheure Vielfalt, also auch in der Kunstproduktion. Deren jüngste Ergebnisse versucht man in der Kunsthalle im Museumsquartier zu präsentieren, freilich nur in Ausschnitten.

Die diversen Spielarten und Lebensweisen der indischen Gesellschaft führt die Photographin Dayanita Singh in ihrer Serie von Frauenporträts vor. Im Sari oder im Minirock, in unterschiedlichen Kulissen, im an New York erinnernden Appartement oder im gediegen im Kolonialstil eingerichteten Salon trifft man die Protagonistinnen ihrer Aufnahmen.

Duchamp und Man Ray mischen sich in einem am Wasserhahn angehängten Stachel-Bügeleisen: Das kleine Blatt stammt aus einer Serie von anspielungsreichen, handkolorierten Radierungen von Surendran Nair. Wenig weiter verweben sich schicksalhaft die Mythologien in den Händen von Ariadne und Scheherazade unter dem Titel "The Labyrinth of Eternal Delight".

Von sozial- und religionskritischen Arbeiten in Installation und Video bis zur Hinterfragung des Frauenbildes bei Sonia Khurana berichtet die Schau. Küssen ist für Filmheldinnen aus "Bollywood" verboten: Darauf spielt Khurana an, wenn sie im kinetischen cinematographischen Objekt eine Filmdiva in überzogenen Gesten der Liebes-Entzückung wirbeln läßt. In ihrer, in Indien ob seiner angeblichen "Anstößigkeit" angefeindeten Videoinstallation "Bird" hebt ein nackter Frauenkörper zum Befreiungstanz an. Mit dem Mist heiliger Kühe beschmiert wankt Subodh Gupta einem Golem gleich durchs Video.

Über die Kunst hinaus soll ein Symposium mit Workshop zur Verständigung beitragen: Von 26. bis 28. April möchte "Kapital & Karma - Indische Dialoge mit Europa" zeigen, daß Indien mehr sein darf, als das Wissen um den Computer oder die Kochkunst des Inders um die Ecke.

Bis 9. Juni; täglich 10 bis 19, Do. 10 bis 22 Uhr.



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