Die Ostblock-Neonreklamen von Paulina Olowska.
Graz - Gewaltig klingt der Titel des über zwei Jahre angelegten Projektes Utopie und Monument, das Kuratorin Sabine Breitwieser 2009 und heuer für den Steirischen Herbst konzipierte. Es sollte eine Schau werden, die einer großen Tradition des Festivals und der Stadt Graz, jener der Kunst im öffentlichen Raum, alle Ehre macht. Doch gerade in Graz hinterlässt Utopie und Monument II, die letzte Arbeit in Österreich von Breitwieser, die nun eine Abteilung am Museum of Modern Art in New York leitet, keinen Eindruck.
Dabei klang die Thematisierung von Utopie als Denkraum und Monument als Erinnerungsraum interessant. Doch zu minimalistisch sind Interventionen wie das Projekt für Pergola von Armando Andrade Tudela, das mit dem Lüftungsschacht der Tiefgarage bei der Oper spielt, oder die Langen Tage der Freizeit von John Knight, der auf 46 städtischen Fahnenmasten in der Herrengasse die Werbebanner weglässt - um Kunstfinanzierung zu erörtern.
Das Problem ist: Wer nicht mit der dazugehörigen Karte in der Hand sucht, würde nicht nur diese beiden Arbeiten gar nicht wahrnehmen. Das ist in einer Stadt, wo Werner Fenz mit seinem Institut für Kunst im Öffentlichen Raum mehrmals jährlich spannende, kontroversielle, nie marktschreierische und immer sichtbare Arbeiten präsentiert, etwas zu wenig.
Auch das nachgebaute Wartehäuschen an der Straßenbahnhaltestelle beim Kunsthaus und ein Verkaufsstand am Hauptplatz von Jutta Koether ist keine "Virtuosität des Öffentlichen" , wie der Untertitel der Schau verspricht.
Die wohltuende Ausnahme ist Natasza, Arbeiterkantine und Blumen von Paulina Olowska, die bunte Neonreklamen der 50er- und 60er-Jahre aus Warschau rekonstruierte und auf eine Tankstelle am Andreas-Hofer-Platz stellte.
Theorien auf gelben Wänden
Auch die Kartografien namens You are here von Andrea Fraser, von denen die größte am Tummelplatz steht, bringen keinen Aha-Effekt. Hier am Tummelplatz hat man auch die selben gelben Stellwände aufgebaut, die im Vorjahr im Bezirk Gries vor dem Bad zu Sonne standen. Die Enttäuschung: Die kunsthistorischen Texte, die darauf affichiert wurden, sind auch immer noch die selben. Aber zumindest kann man hier über Zeiten, wo Kunst in der Öffentlichkeit sich nicht versteckte, sondern Klartext sprach, wehmütig nachlesen. Im Steirischen Herbst 1988 etwa schockte Hans Haacke mit der Arbeit Und ihr habt doch gesiegt mit einer rekonstruierten NS-Siegessäule die Grazer. Doch das war lange bevor Graz plötzlich das Phänomen "Design" entdeckte. Heute klaut Design der Kunst auf ohnehin längst an die Wirtschaft verkauften Plätzen die Atemluft. Ein Sinnbild dafür ist der Mariahilferplatz: Hier macht sich die neue Stadtmöblierung der "City of Design" , an Ketten gelegte Bänke mit Beinen namens Getier, breit, während eine Wäscheleine und zwei in Vitrinen gesperrte Rollstühle von Isa Genzken daneben ein Weilchen ihre Denkräume behaupten dürfen. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD - Printausgabe, 12. Oktober 2010)
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