Mumok Factory: Schau des Henkel-Preisträgers
Mladen Miljanovæ
Ein Auto als Zeitzeuge
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Der einbetonierte Zastava 101, der Trabbi Ex-Jugoslawiens. Foto: Mumok
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Von Brigitte
Borchhardt-Birbaumer
Begonnen hat
die Ausstellung mit einem sieben Tage dauernden Taxidienst des
bosnischen Künstlers Mladen Mijanoviæ für Museumsbesucher, die per SMS
seine Dienste ordern konnten. Dabei fuhr er einen Zastava 101, den
Trabbi Ex-Jugoslawiens – 1972 bis 2008 in seiner Heimat hergestelltes
sozialistisches Vorzeigeprodukt –, quer durch Wien.
Der Henkel Art.Award wurde dem Künstler, der an der Akademie von
Banja Luka lehrt und 1981 in Zenica geboren wurde, 2009 verliehen. Die
Mumok Factory ist daher derzeit eine Garage, in der soziale Überlegungen
über einen wichtigen Alltagsgegenstand angestellt werden. Dafür wurde
ein Zastava von zwei ehemaligen Gastarbeitern teilweise einbetoniert und
in seine Einzelteile zerlegt.
Die konzeptuelle Überarbeitung will aber viel mehr. Kunsthistorisch
spielt Miljanoviæ kritisch die Heroen der klassischen Moderne, Kasimir
Malewitsch und Marcel Duchamp, und ihre Methodik gegeneinander aus: Eine
Kopie des Gemäldes "Suprematistisches Kreuz" wird an der Wand vom
Autodach des Zastava überwölbt, verdeckt oder geschützt. Am Dach sind
Alarmleuchten montiert, daneben ist ein bizarrer Dialog zwischen dem
Künstler und einem Polizisten zu lesen. Das Dach als Paraphrase auf
Duchamps Ready-made ist im Gegensatz zum zweckfreien Kunstobjekt
darunter nützlich im Alltag, es akzentuiert sogar im heutigen
Museumskontext.
Kunst gerät aus dem Lot
Das Schwanken zwischen Ironie und Plattitüde lässt sich in der Serie
von Collagen zum Taumel steigern – hier gerät die Kunst gänzlich aus dem
Lot, wird auch zur Werbefläche für Immobilienkauf. Die als
Handlungsanweisungen für die Arbeiten, aber auch ihre Montage,
fungierenden Blätter verraten etwas über politische und militärische
Strategien. Der 26 Jahre gleich gebaute Wagen wird mit dem Betonsockel
die ihm entsprechende Denkmalwürdigkeit verpasst. Als Aktion "Our Thing"
betitelt, kommt die Übersetzung "Cosa nostra" unter Verdacht, daneben
richtet sich der Zastava reihenweise auf wie der Affe zum Menschen bei
Charles Darwin.
Duchamp und Beuys sind für den Künstler die Anreger für eine
politische, aber nicht ideologische Kunst mit sozialen Aspekten.
Allerdings ist sein Dekonstruktivismus auch aus der Theorie eines Michel
Foucault gewonnen – zu finden mit der Abbildung aus dem Buch
"Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses" neben der
minimalistischen Reihung von Sicherheitsgurten, die interaktiv für
Besucher anzulegen sind. So wird die Disziplinierung von Kindern eine
Überlegung zum sich allzu elitär von anderen isolierenden Publikum im
Kunstraum. Doch diese Institutionskritik zerfällt gleich wieder wie die
auf Marmorfragmenten gezeichneten Designdetails des Zastava. Kopfstützen
an der Wand lassen Kommentare zu dem Auto hören.
Im Katalog als "Postübergangsgesellschaft" bezeichnete Interessenten
lernen über Miljanoviæs Kunst auch etwas über ihre Paralyse damals im
Krieg des zerfallenden Jugoslawien. Und das mit Hilfe eines Autos.
Ausstellung
Mladen Miljanoviæ
Tina Lipsky (Kuratorin)
Mumok Factory
bis 12. September
Printausgabe vom Samstag, 24. Juli 2010
Online
seit: Freitag, 23. Juli 2010 20:06:00
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