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Kunstberichte

Wildes Schaffen aus innerer Ekstase

Das Leopold Museum zeigt "Deutsche Expressionisten" aus den Sammlungen Leopold und Thyssen-Bornemisza
Illustration
- Erich Heckels „Haus in Dangast“ aus 1908.  Foto: Carmen Thyssen-Bornemisza CollectionVBK Wien

Erich Heckels „Haus in Dangast“ aus 1908. Foto: Carmen Thyssen-Bornemisza CollectionVBK Wien

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Wenn Francesca Habsburg und Rudolf Leopold ihre Sammlungen vereinen, kann ein Thema schon eine ganze Etage des Leopold Museums füllen: So passiert es derzeit mit den Meisterwerken der Sammlung Thyssen-Bornemisza um die Gruppierungen "Die Brücke" und "Blauer Reiter", dazu gibt es Vorläuferinnen des Expressionismus wie Paula Modersohn-Becker und Bildhauerinnen wie Käthe Kollwitz. Mit Max Beckmann, Otto Dix und George Grosz präsentieren sich auch jene Maler, die das mondäne Leben der nächtlichen Großstadt einfingen. Neben dem Museo Thyssen Bornemisza in Madrid sind auch Leihgaben aus Thyssen Familienbesitz und prominenten Museen Deutschlands in Wien.

Die Zeit vor dem ersten Weltkrieg war in Deutschland für die Künstler voll von den Entdeckungen der "primitiven" Kunst Ozeaniens und Afrikas. Ebenso international waren auch Bewegungen, die in die Gegenstandslosigkeit mündeten – das gilt besonders für Wassily Kandinsky und Alexej von Jawlensky. Bis zu einem gewissen Grad ist auch die geometrische Zerlegung des Bildes durch Lyonel Feininger eine individuelle Wende in die Abstraktion.

Wildes, buntes Berlin

Neue gesellschaftliche Lebensmodelle zeigen das nächtliche Treiben im bunt beleuchteten Berlin und die körperliche Befreiung der nackt an den nahen Seen Badenden. Doch auch Einzelgänger wie Wilhelm Lehmbruck und Ludwig Meidner, die die Gräuel des Krieges in kritischer Weise einfingen, sind vertreten. Das Paradebeispiel ist Lehmbrucks "Große Kniende" von 1911, hier neben Ernst Barlachs "Rächer" und Käthe Kollwitz’ später "Pieta". Mit ihren trauernden, tanzenden und ekstatisch verzückten Gestalten sowie apokalyptischen Untergangsszenarien sind die Expressionisten genauso in die Kunstgeschichte eingegangen wie mit ihren farbstarken Paradiesbeschwörungen um die Moritzburger Seen bei Dresden. Dabei pflegen sie eine wilde Gestik des Pinselstrichs, verwenden reine Farben und umreißen ihre Gestalten mit eckigen Konturen.

Darstellungen der Vergnügungssucht und damit eine stark sozialkritische Note brachten die Künstler in Konflikte, besonders in der Zeit des Nationalsozialismus mussten sie als "Entartete" aus Deutschland fliehen wie Max Beckmann, der mit "Vor dem Kostümfest" von 1945 einen chronologischen wie thematischen Abschluss bildet.

Die Gegenüberstellung von Holzidolen und Masken mit Emil Nolde, Karl Schmidt-Rottluff oder Erich Heckel zeigt die antiakademische Begeisterung für alles Ethnologische. Aber auch Landschaft, Blumenstücke und andere Stillleben kommen neben der vorrangigen oft fast karikierenden Menschendarstellung nicht zu kurz. Zu den 50 Gemälden sind 80 Aquarelle, Zeichnungen und Druckgrafiken zugeordnet – neben der "Zigeunermappe" von Otto Mueller ist Christian Rohlfs Gouache "Zwei Akte" besonders erwähnenswert. Übergänge zur "Neuen Sachlichkeit" und individuelle Entwicklungen, wie jene von Lyonel Feininger oder Karl Hofer werden von den Kuratoren berücksichtigt.

Deutsche Expressionisten

Leopold Museum

Museumspl. 1, 1070 Wien http://www.leopoldmuseum.at

Bis 10. Jänner 2007

Kuratoren: Rudolf Leopold, Michael Fuhr

Starke Auswahl.

Donnerstag, 28. September 2006


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