Salzburger Nachrichten am 5. August 2006 - Bereich:
Feuilleton
Malerei ist eine harte Arbeit Die derzeitige
Festspielausstellung in der Salzburger Galerie Welz ist Josef Mikl
gewidmet - mit Bildern von den 50er Jahren bis zu erst vor kurzem
entstandenen Werken. Der in Wien Geborene ist ein Künstler, der alles am
Boden malt. GUDRUN WEINZIERL
Dass Josef Mikl als ein "Großmeister" der österreichischen Malerei
gilt, ist weitum bekannt. Werke wie die Ausmalung des Redoutensaals in der
Wiener Hofburg, die Rundmalerei in der Kapelle von St. Virgil in Salzburg,
oder eine ganz frühe Arbeit, eine 1950 ausgeführte 600 Quadratmeter große
Faschingsdekoration der Akademie, sind zudem "flächenmäßige Großtaten",
monumentale Leistungen des Malers, der stets ohne Zuhilfenahme anderer
arbeitet. "Meine Art des Sports und eine wirklich harte Arbeit, wenn man jeden
Strich selbst macht", sagt Josef Mikl, der alles am Boden malt. Auch seine
riesigen Wand- und Deckenmalereien entstanden am Boden und wurden nach
ihrer Fertigstellung als Leinwände an die Wand montiert. Sein Oeuvre, das
oftmals auf den ersten Blick als abstrakte, gestische oder
ungegenständliche Malerei bezeichnet wurde, ist stets dem Gegenstand
verbunden. Der Künstler geht von folgender These aus: "Das, was man sieht, das,
was man gesehen hat, lässt sich nicht ganz vergessen. Daher gibt es keine
ausgedachten, keine wirklich gegenstandslosen Bilder. Ein Gegenstand macht
das Bild erst sinnvoll." Wichtigstes und dauerhaftes Thema ist für ihn der
Mensch, wobei es dem Maler nicht um emotionale, psychische
Bestandsaufnahme geht, sondern um Strukturen des physischen Körpers. Einen großen Teil machen auch Stillleben aus In den ersten Jahren
seines Schaffens hat Josef Mikl "Maschinenmenschen" gemalt und gezeichnet,
in denen er Bewegungsfunktionen des menschlichen Körpers analysierte. Sehr
bekannt sind seine röhrenförmigen - wie aus hohlen Knochen
zusammengesetzten - Figuren. Seine Bildtitel lauten immer wieder Figur,
Stehende, Sitzende, Büste, Kopf. Einen großen Teil machen auch Stillleben
aus - Blumen, Früchte, Brot, Spielzeug, allerdings so weit abstrahiert,
dass sie oft erst unter Bezug auf den Bildtitel inhaltlich erschlossen
werden können. "Mikl malt so wie er heißt", schrieb - spitzfindig und in
freundschaftlichem Ton zugleich - vor wenigen Jahren der Literat Alois
Brandstetter, der sich über die Philologie der Arbeit des Malers näherte:
dass nämlich der Name Mikl vom Althochdeutschen "mikil", was "groß"
bedeutet, komme und das ältere Wort für "magnus" sei. Auch im "I" des
Namens fand er eine lautmalerische Entsprechung zu den von Mikl häufig
verwendeten Farben: Das "I" steht für das Helle und Spitze, für hitzige,
feurige Farben. Rot, Orange, Gelb in den verschiedensten Abstufungen
dominieren in Mikls Ölmalerei. Über Josef Mikl zu schreiben oder eine
Aussage über ihn zu tätigen heißt unweigerlich, sich womöglich in die
Riege der "Bildungsschwätzer" einreihen zu müssen. Laut Mikls Text "Der
Bildungsschwätzer" arbeitet dieser "in der Kunst wie der Archivar im
Museum, der Bilder und Plastiken ordnet, von oben nach unten, von links
nach rechts, aber dahinter kommt er nicht". Sein Verhältnis zu Journalisten, überhaupt zu all jenen, die gerne über
Kultur und Kunst reden, sei kein Gutes, heißt es. Nicht er, aber seine
Kunstfigur, die Journalistenfresserin Hawranek hat verbal und bildhaft in
mehreren seiner Bücher jenen, die sich dilettantisch einmischen, den
Garaus gemacht. "Wer den Weg kennt, mag nicht, dass von links und rechts
Leute kommen, um Ratschläge zu geben...dilettantische Einmischungen. Große
Maler und Bildhauer haben darüber geschrieben, gelesen wird jedoch, was
Esel und Eselinnen aus dritter Hand nehmen und schreiben", begründete
Josef Mikl seine Hawranek-Bücher, die Anfang der 70er Jahre herausgegeben
wurden. Dennoch, dieser Künstler, der scharfsinnig die hinter ihm liegenden
Jahrzehnte beschreibt, ist ein im Gespräch liebenswürdiger Mensch. Es ist
wohl das aufgesetzte Pathos, die Ehrfurcht vor der hehren Kunst, die er
abstößt. "Ich mag die Kollegen nicht, bei denen nur philosophiert und
alles heilig erklärt wird. Das Heilige hat in der Malerei nichts zu
suchen, denn ein Maler ist kein Wallfahrer, schon gar nicht zu seinen
eigenen Werken." Josef Mikl bildete Anfang der 50er Jahre mit Hollegha, Prachensky und
Rainer die Gruppe St. Stephan, die in nahem Verhältnis zu einer der
legendären Persönlichkeiten jener Zeit stand: Monsignore Otto Mauer, der
in der Wiener Grünangergasse mit der Galerie "Nächst St. Stephan" sich
klar zur Avantgarde bekannte. "Ohne Glauben kann man nicht arbeiten, man soll seine Arbeit aber nicht
mit religiöser Verlogenheit verbrämen", sagt Josef Mikl, der viel für die
Kirche gearbeitet hat - hauptsächlich im deutschsprachigen Raum, aber auch
16 Glasfenster für die Friedenskirche in Hiroshima schuf. Gereist ist er
noch nie gerne: "Für Reisen nach Paris oder anderswohin um neue Stile
kennen zu lernen, hatte ich nie Lust. Ich war nie ein Kunsttourist, bin
überhaupt kein Tourist. Ich habe alles in meinem Kopf, so erzeuge ich
meine Einfälle." Leinwände in Bahnen zu bemalen Nach Salzburg ist der Wiener immer
wieder gereist: Eines seiner monumentalsten Werke ist die Gestaltung der
Kapelle im Bildungshaus St. Virgil, die am 1. Mai 1976 eingeweiht wurde.
Über 300 Quadratmeter Fläche wurden in der typischen Arbeitsweise,
Leinwände in Bahnen zu bemalen und zu einer riesigen Wandtapete
zusammenzufügen, gestaltet. 1955 schon hatte Mikl in der Kirche in Parsch zwei Glasfenster
gestaltet, in den 60er Jahren folgten für die Lehener Kirche zwei
monumentale etwa 15 Meter breite Glasfronten. Von seiner Lehrtätigkeit an
der Sommerakademie bekommt er heute noch Briefe seiner damaligen
Studenten. Dort, im Jahr 1983, lernte er auch seine zukünftige Frau, die
Malerin Brigitte Bruckner, kennen. "Ich wollte damals nur dort
unterrichten, wo Kokoschka seine Schule des Sehens abhielt, das war im 3.
Stock in der Festung - dann bin ich mir mit den vielen Stufen wie ein
Briefträger vorgekommen." In Wien in der Abendklasse für Aktzeichen und in einem Kurs für
Grundieren begegnete ihm seine spätere Frau, die Restaurierung und Malerei
studierte, wieder. Josef Mikl hat 27 Jahre lang eine Professur in Wien
innegehabt und war beliebt, obwohl er von der Unmöglichkeit der
Kunstvermittlung spricht, denn "Kunst kann man nicht lernen und sie auch
nicht lehren. Als Professor ist man dazu da, den jungen Leuten unter die
Arme zu greifen, sie nicht unterwürfig zu machen. Sie zu einem guten
Menschen zu machen, das ist wichtig. Was Kunst ist und wer als Künstler
hervorgeht, wird erst später entschieden. Da muss man Geduld haben. Ich
habe 63 Jahre lang gemalt, lebe angenehm und bin nicht verhungert. Früher
aber als Hilfsarbeiter auf Baustellen, als Maurer, später als Anstreicher,
denn die Malerei war unverkäuflich. Niemand kann malen, ohne bereit zu
sein, zu arbeiten. Das bezieht sich auch aufs Denken. Denken ist Arbeit,
Malerei ist Denken - Malerei ist harte Arbeit." |