Salzburger Nachrichten am 26. November 2005 - Bereich: Kultur
Sellars' Mozartvisionen Das Programm von Peter
Sellars' Mozartfestival "New Crowned Hope" steht jetzt fest. Musiktheater,
Film und Musik eignen sich Mozartthemen neu an.
WIEN (SN-mo). Was lange währt, wird dann auch gut. Die Neugierde, was
denn der von der Stadt Wien für das Mozartjahr 2006 engagierte Regisseur
Peter Sellars mit den für ihn vorgesehenen zehn Millionen Euro machen
würde, schlug bei den Kulturinteressierten bald in Skepsis um, als Sellars
auch bei der zweiten Pressekonferenz zum Thema keine Details nennen
wollte. Nun ist das Programm für sein Mozartjahr-Festival in Wien, "New Crowned
Hope", fertig und wie kam es zu Stande? "Das ist das Ergebnis von
Gesprächen über drei Jahre hinweg", sagte Sellars bei der Pressekonferenz
Nummer drei am Freitag in Wien. Die Hauptereignisse des Festivals werden
an den zentralen Orten des Wiener Kulturgeschehens stattfinden, vor allem
im Museumsquartier. Sellars kommt mit Projekten, die von den Künstlern eigens für "New
Crowned Hope" geschaffen werden. Sie wollen die Ideen, die Mozarts Werk
bestimmt haben, mit Mitteln und Themen von heute ausdrücken. Die großen
Werke, die für "New Crowned Hope" entstehen, gehören zum Musiktheater. An erster Stelle steht die Uraufführung einer einaktigen Oper des
amerikanischen Komponisten John Adams. In "A Flowering Tree" geht es, auf
der Grundlage eines Indischen Mythos, um das "Erwachen" eines jungen
Mannes. Ausgeführt wird das Werk von Mitgliedern des berühmten "Simon
Bolivar Symphony Orchestra" aus Venezuela, einem Jugendorchester, das mit
seiner Arbeit jungen Menschen Halt und Perspektive gibt. Als nächstes steht ein Tanztheater-Projekt zum Thema "Requiem" auf dem
Programm. Der von der Pazifikinsel stammende Choreograf und Regisseur Lemi
Ponifasio und seine Gruppe "Mau" schaffen für Wien ein "Requiem", das "wie
traditionelle Zeremonien im Pazifikraum an verschiedenen Örtlichkeiten
stattfindet", wie es im Prospekt heißt. Ein weiterer Auftrag ging an die finnische Komponistin Kaija Saariaho,
für die Sellars ihre erste Oper, "L'amour de Loin", bei den Salzburger
Festspielen inszenierte. Auch in der für "New Crowned Hope" entstehenden
dritten Oper der Komponistin, "La Passion de Simone", wird Sellars Regie
führen, und wieder stammt das Libretto von dem libanesischen Autor Amin
Maalouf: Es geht um das Schicksal der französischen Philosophin Simone
Weil, die ihr Leben dem Kampf gegen soziale und wirtschaftliche
Ungerechtigkeit widmete. Dem Vorhaben des Festivals, zu zeigen, wie sich Kunst gegen Unrecht und
Übervorteilung stemmt, entspricht besonders ein Projekt aus der
afrikanischen Republik Kongo: Der Choreograf Faustin Linyekula wird ein
"Requiem" zeigen, das thematisiert, was von seiner Familie nach Jahren des
Krieges, des Terrors und der Angst geblieben ist. Ebenfalls um die Folgen
staatlichen Terrors geht es dann in "The Magic Flute revisited" der aus
Kambodscha stammenden Choreografin und Tänzerin Sophiline Cheam Shapiro.
Sie schildert in ihrem vom klassischen kambodschanischen Tanz geprägten
abendfüllenden Ballett, wie das Schicksal ihres Volkes während des
Pol-Pot-Regimes dem Stoff der "Zauberflöte" ähnelt. Im Entstehen sind auch sechs Spielfilme von Regisseuren und
Regisseurinnen, die ebenfalls aus Regionen mit großen politischen und
wirtschaftlichen Problemen stammen. Das Festival "New Crowned Hope" wird vom 14. November bis 13. Dezember
2006 dauern; zum Programm gehören weiters Konzerte sowie Projekte aus der
bildenden Kunst und Architektur. (www.newcrownedhope.org). |