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08.06.2005 - Kultur&Medien / Kultur News
Nur der Nordsee-Fisch wehrt sich
VON CHRISTINA BÖCK
Installation. "Delete" in der Neubaugasse: gelbe Folie statt Werberausch.

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it dem Palmers-Grün verträgt es sich nicht so gut. Mit dem Star bucks-Grün schon ein bisschen besser. Über den Gelbton, der derzeit die Neubaugasse dominiert, lässt sich streiten. Sonnengelb, Kanarigelb, Maisgelb - und zumindest bald Schmutzig-Gelb. Die Künstler Christoph Steinbrener und Rainer Dempf haben der kompakten Einkaufsstraße im siebten Wiener Gemeindebezirk riesige Pflaster aufgeklebt. Und zwar dort, wo es dem konsummüden, logo-lädierten Auge wehtut: auf allen Werbeflächen. Das heißt auf den Plakaten, auf den Geschäftsschildern, sogar am Trafiksymbol.

Von der Mariahilfer Straße bis zur Lindengasse geht die "entschriftete" Strecke. Alle Logos, Firmennamen, Werbesprüche verstecken sich - hinter Folie, Stoff oder Karton. Die Produkte in den Schaufenstern müssen für sich selbst sprechen. Eigentlich sollte die Aktion bis zur Lerchenfelder Straße reichen. Aber aus finanziellen Gründen sind nun nur etwa 40 statt an die 120 Geschäfte begelbt. Manche Marken wehren sich ein bisschen: Seltsamerweise gerade die Namen der Fotogeschäfte schimmern frech durch die gelbe Folie. Und der Fisch von der "Nordsee" bleibt auch im gelben Gewand hartnäckig erkennbar. Christoph Steinbrener und Rainer Dempf haben zwei Jahre lang an diesem Projekt gearbeitet. Der Ausgangspunkt für ihre Überlegung war, "dass immer mehr Werbeträger wie zum Beispiel die Rolling Boards im öffentlichen Raum undiskutiert aufgestellt werden", erklärt Steinbrener. "Delete" sei eigentlich auch kein optimaler Name für die Aktion, denn die Künstler wollen die allseits präsente Schrift nicht löschen oder retuschieren, sondern markieren, auf sie aufmerksam machen.

Und warum das Ganze in Gelb? "Wir wollten Safrangelb, aber da ist uns Christo im Central Park in die Quere gekommen. Und letztlich auch die Gründung des BZÖ . . ." Prinzipiell sollte es eine Farbe sein, die nicht mit einer internationalen Marke assoziiert wird.

Jenseits der Lindengasse, im Papiergeschäft "Sax&Co" sieht man die Parallelen zum Verhüllungskünstler Christo immer noch: "Das ist ja nicht originell. Das hat der Christo schon erfunden. Schade ums Geld, wir hätten das aber sowieso nicht gestattet", sagt Eigentümer Gallent der "Presse". Im trendigen Schuhgeschäft "Shu" wiederum ist die Lage anders: Brigitte Fiala ist traurig, dass es sich nicht mehr bis zu ihrem Geschäft ausgegangen ist. "Das ist ja nur, weil der Texhages nicht mitmachen wollte." Ihr hätte es gefallen: "Sehr sonnig. Da wird das Auge einmal anders geschult."

Im Geschäft "Filzfaktor" - innerhalb der gelben Zone - hingegen setzt Verkäuferin Wimberger beinahe befremdend pragmatische Akzente im Aktionskunst-Rahmen: Denn auch das Pickerl mit den Öffnungszeiten ist der gelben Folie zum Opfer gefallen. "Jetzt weiß halt der Postler nicht, dass wir erst um elf Uhr aufsperren . . ."

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