diepresse.com
zurück | drucken

14.10.2004 - Kultur&Medien / Ausstellung
Kunstraum: Spanplatten

kunstraum

Alexanderplatz, Schillingstraße, Strausberger Platz - durch nach Hönow und retour! Die Berliner U-Bahn-Linie 5 - seit Ende Juni wegen Bauarbeiten gesperrt, seit kurzem teilweise wieder in Betrieb - ist Protagonistin der Schau von Manfred Pernice, dem Nachfolger von Bruno Gironcoli an der Akademie der bildenden Künste. Der gebürtige Hildesheimer gilt als Künstler der offenen Verbindungen, der Andeutungen von Zusammenhängen, Querverweisen. Solche ziehen sich hier wie ein Laufsteg durch die Räume der Galerie, Haltestellen-Schilder über den Köpfen, Schautafeln, Zeichnungen, Fotos von einzelnen Stationen an der Wand. Im Eingangsraum ein Fundstück von besagter Bahnstrecke: ein verbogener Eisenteil, auf Sockel platziert und damit zur Skulptur geweiht (10.000 €). Sperrige Objekte aus Spanplatten, Fliesen und Beton (19.000 €): Monumente vergangener Tage? Unbedingt das Schild "Durchgang verboten" übertreten und dort ein wenig DDR-Literatur studieren. Hier zeigt sich besonders Pernices Qualität, am kollektiven Verständnis für Geschichte und Alltagskultur zu rütteln. (Bis 30. 10., Grünangerg. 1/2, Wien 1).

KUNSTBÜRO: TRÄUME

Schon wieder Pernice? Weit gefehlt, was da so sperrig daherkommt, aus Pappe, Papier und ähnlichen Resteln muss dem deutschen Künstler Josh Müller zugeschrieben werden. In der hintersten Raumecke hat er Station bezogen mit einer Art Behelfs-Behausung: Schlafsack, verstreute Notizen, Schwarzweiß-Kopien, die an frühere Projekte erinnern, und solche, die barocke Schäferidylle zeigen und ein großes Segelschiff, "das kommen wird". Müller hat einen Kokon geschaffen, in dem nur das Notwendigste Platz hat, um hier vom Draußen, dem Idealzustand zu träumen. Denn dieser befindet sich nur als Zitat auf besagten Kopien. Dass sich Sehnsucht materialisieren kann, zeigt der russische Regisseur Tarkowski in seinem Film "Solaris", der in Müllers Rückzugsort auf Video läuft. Und das gibt doch Hoffnung! Da ist es dann auch schon egal, wenn der großformatige C-Print an der Wand, der ein unheimliches, aber sehr schönes nächtliches Waldstück zeigt, mit braunem Klebeband grob an die Wand geklatscht ist. (Bis 30. 10., Schadekg. 6-8, Wien 6).

KUNSTHALLE 8: SCHUSSLINIE

Das Interesse der aktuellen Kunst an der Spätmoderne ist unübersehbar. Vor allem die Formensprache der geometrischen Abstraktion wird in Malerei und Skulptur erneut aufgegriffen. Während aber derart Zitathaftes sich oft in spekulativen Szenarien und pseudointellektuellen Überlegungen ergießt, ballert Udo Bohnenberger einfach los mit einem Gewehr, löchert das Wort "Politkunst" in eine Holzwand, die eine rot ausgemalte Raute zeigt - amerikanische Hard-Edge-Malerei oder doch nur das Logo des Merve-Kunstbuchverlags? Die Aktion verdichtet sich in einem Video und steht unter dem Label L.I.F. (Labor für interdisziplinäre Formfindung). Der Ansicht, dass in den Künsten nichts Neues mehr zu schaffen sei, war schon Thomas Mann. Bohnenbergers Umgang damit ist aber befreiender. (Bis 30. 10., Schadekgasse 6-8, Wien 6). Manisha Jothady

© diepresse.com | Wien