Nach der Emeritierung von fünf
Malerei-Professoren kamen 1997 neue junge Professoren an die Akademie für
bildende Künstler. Unter ihnen war auch die Amerikanerin Renée Green.
Es konstituierte sich eine Klasse für konzeptuelle Kunst, die nun im
Mai dieses Jahres von der slowenischen Videokünstlerin und Philosophin
Marina Grizinic übernommen wurde.
Diskurs
Gemeinsames Lesen von kunsttheoretischen Texten, Historie von
Konzeptkunst sowie das Durchdenken von Ideen bei völliger freier Wahl der
Mittel bestimmte den Studienalltag der Diplomanden.
Petja Dimitirova, Franz Amann, Paul Robert, Genieve Sandberg-Diment ist
gemeinsam das Herangehen an Kunst als Projekt, wobei das Dokumentarische,
Diskursive und auch das Persönliche eine gewisse Rolle spielen.
Thema Staatsbürgerschaft
![](00058766-Dateien/1-Grzinic_Dimitrova.jpe) |
"Staats-bürgerschaft?", Petja Dimitrova /
©Bild: P. Dimitrova |
In ihrem acht Minuten Video "Staats-
bürgerschaft?" zeigt die
bulgarische Künstlerin Petja Dimitirova an Hand einzelner Video-Sequenzen,
sowohl die privilegierte Situation als Künstlerin betreffend die
Aufenthaltsgesetze, als auch die einengende Definition einer
"freischaffenden Künstlerin" in der österreichischen Republik.
So muss sie im klassischen Sinn verkaufbare "Werke" präsentieren, die
ihren Lebensunterhalt sichern. Konzeptuelle Arbeiten lassen sich hingegen
schwerer vermarkten und erreichen nicht jenen Objektstatus. Auch ein
Broterwerb in einem artfremden Beruf ist nicht gestattet.
Vogel kehrt nicht heim
Franz Amann gruppiert um das Objekt eines in Schmierseife eingelegten
Vogels ("für den Vogel") ein Kunst-Szenario. In einer aufgelassenen
Fabrik, die als Heimstätte von Tauben genutzt wird, fand er seine
Inspiration.
Einige Fotografien dokumentieren die Fabriksituation. Vogel-Leichen
liegen wie aufgebahrt in ihrem Kot. Rund um das Objekt entwickelte er
einen Schriftverkehr, in dem er sich um eine museale Heimstätte für den
toten Vogel in Seife engagierte. Abschlägige Briefe von Mumok und dem
Sigmund-Freud-Museum dokumentieren dieses Bemühen.
Friedrichshof
Eine komplexe Dokumentation mit einem eigenen Ausstellungsparcour
entwarf der Künstler Paul Robert. In seiner Arbeit "Zeit danach" zeigt er
neben seinem Leben als Kind in der Kommune Friedrichshof das Entstehen und
den Verfall einer Idee, die in einem Prozess gegen Otto Mühl und in der
Umgestaltung der Kommune in ein Seminarhotel endete.
An Hand von Fotos, Zeichnungen, Modellen und Video nähert er sich dem
Thema behutsam an. In der Mitte des Parcours ist ein Video eines Gesprächs
mit einer Frau zu sehen, die gegen Otto Mühl in seinem Prozess 1990
aussagte.
Noch mehr Zeitgeschichte
Wie schon bei der letzten "documenta", scheint sich auch hier bildende
Kunst zeithistorisches Terrain vermehrt zu erobern. Ob Kunst dies auch
leisten kann, ist diskussionswürdig.
Amerikanisch-österreichische Geschichte
Die amerikanische Künstlerin Genieve Sandberg-Diment begab sich auf die
Spurensuche eines Paares, deren Geschichte mit dem Freikauf des
österreichischen Techniker Erich Diamant aus dem Konzentrationslager durch
seine spätere Frau Herta Langer steht.
Das Geld stammte von ihrem Vater, der eingetragenes NSDAP-Mitglied war.
Über Shanghai und Schweden trafen sie sich zehn Jahre später in New Jersey
wieder. Da sie nie über ihre Erlebnisse sprachen, und mittlerweile tot
sind, versuchte die Künstlerin, die Sprachlosigkeit durch Interviews,
Briefe und Super-8-Filme aus der Ferienzeit des Paares zu rekonstruieren.
Entstanden ist ein beklemmendes Porträt von Erinnerungsstücken einer
Nachgeborenen.
Link: