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Yoko Ono: "Das Leben ist viel schockierender als die Kunst"

Viennale-Ausstellung "Yoko Ono: From my Window" von 20.10. bis 20.11. - Lesung am 19.10. im Semper Depot.

Wien (APA) - Im Hotel Sacher, dem Ort ihrer legendären Friedensdemonstration 1969 im Hotelbett mit John Lennon, empfing Yoko Ono heute, Donnerstag, anlässlich ihres Wien-Besuchs als Viennale-Gast die Presse. Der vielseitigen Künstlerin ist in der Galerie KlausEngelhorn die heurige Viennale-Ausstellung gewidmet. Die bisher erste Einzelausstellung Onos in Österreich wird Samstag Abend eröffnet, sie ist einen Monat lang zu sehen.

1969 hatten Ono und Lennon ihre Pressekonferenz im Sacher in einen Sack gehüllt gegeben, erinnerte sich die Witwe. Der Anlass für den damaligen Wien-Besuch war ein Auftrag des ORF an Ono gewesen, einen Film zu drehen - es konnte "irgend etwas" sein: "Das österreichische Fernsehen scheint damals ziemlich liberal und avantgardistisch gewesen zu sein." Ono und Lennon drehten "Rape" dann gemeinsam in London. Eine österreichische Schauspielerin (Eva Majlath) wird darin von einer Kamera buchstäblich durch die Stadt verfolgt, bis sie vor Angst beinahe vor einen Lastwagen springt. Der Film zeige in prophetischer Weise ihr Leben, findet Ono rückblickend.

Der ORF hat den Film allerdings nie zur Gänze ausgestrahlt. Die Viennale zeigt die vollständige Version von "Rape" (1969) am 19. (21 Uhr) und 21. (23.30) Oktober im Künstlerhaus-Kino. Außerdem ist der Streifen, zusammen mit den beiden ebenfalls formalistischen Filmen "Bottoms (Film Nr. 4)" von 1966 und "Fly" (1970) in einem eigens im Untergeschoß der Galerie KlausEngelhorn installierten Programmkino zu sehen.

Ihre Kunst sei immer in gewisser Weise autobiografisch, gibt Ono Auskunft. Sie fühle sich nicht wirklich als "Fluxus"-Künstlerin, obwohl sie in den 50er Jahren gemeinsam mit George Maciunas, John Cage und Merce Cunningham zu den Gründerfiguren dieser Bewegung zählte, die Kunst in den Alltag integrieren wollte. Immer wieder setzt Ono sich in ihrer Arbeit mit den verschiedensten Ausprägungen von Gewalt auseinander. Dass ihre Installation mit 100 Särgen, die sie im August in Venedig präsentiert hat, das Publikum schockiert hat, kann sie nicht nachvollziehen: "Wir müssen doch alle sterben. Das Leben ist viel schockierender als die Kunst."

Die 1933 in Tokio geborene Künstlerin, die mit 19 Jahren nach New York übersiedelte, kann als eine der ersten Crossover-Künstlerinnen gelten. Ono nützte Film und Fotografie, Performance, Konzept- und Objektkunst ebenso wie Lyrik, Klangcollagen und Musik. Charakteristisch für ihre Filmarbeit ist der serielle und feministische Ansatz. In "Fly" (1970) etwa umkreisen Fliegen rund 25 Minuten lang den Körper einer nackten Frau, unterlegt von Onos schrillem Gesang, dem sie Lennons Attribut "Frau mit der 16-Spur-Stimme" verdankt.

Im Zentrum der von Hans-Peter Wipplinger initiierten Viennale-Ausstellung "Yoko Ono: From my Window" steht fast das gesamte filmische Werk Onos. Daneben werden neuere Fotoarbeiten, eine Text-Bild-Installation und eine Auswahl ihrer musikalischen Arbeit präsentiert. Die ursprünglich nur bis 6. November angesetzte Schau wurde bis 20. November verlängert. Im Vorfeld der Eröffnung, am Samstag (16 Uhr), tritt Ono außerdem im Rahmen der Schule für Dichtung im Semper Depot auf, wo sie Gedichte lesen und Publikumsfragen beantworten will.
2002-10-17 14:35:46