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07.08.2002 - Ausstellung
AUSGESTELLT IN WIEN von JOHANNA HOFLEITNER


Galerie Grita Insam. Was für unsereins eine unbewußte alltägliche Handlung ist, nämlich aus dem Fenster zu blicken und nach dem Wetter zu spähen, hat die Kanadierin Tania Kitchell zum poetischen Akt erklärt. Notiert werden hiefür Zeit, Datum, Temperatur, die Wettervorhersage kommt auf den Prüfstand. Ins Visier genommen werden nicht nur Wetterrekorde, sondern auch die Auswirkungen des Klimas auf Physis und Psyche.

Der sichtbare Ausdruck dieser Arbeit, mithin das künstlerische Produkt, ist äußerst vielfältig: da gibt es aus Performances resultierende Photographien, auf denen sich die Künstlerin wie eine menschliche Skulptur in den Schnee preßt oder diesen als Körperabdruck zum bildnerischen Element erhebt. Oder wunderbare Papierreliefs, für die Kitchell assoziative Wetter-Wendungen mit Nadeln in weißes Papier stichelt: "Snow White", "White Heat", "Cold Fever". Schließlich wurden in Textbildern auch Filme wie "Fargo" und "The Birds" auf Wettergeschehen untersucht.

Die Arbeit ist keinesfalls als agitatorische Replik auf die dräuenden Klimaveränderungen zu verstehen, dazu geht Kitchell viel zu besonnen vor. Allerdings stimmt sie nachdenklich - und erhält dadurch nicht nur poetische, sondern auch politische Brisanz (I., Köllnerhofgasse 6; bis 31. August).

Galerie Johannes Faber. New York ist durch den 11. September 2001 als künstlerisches Thema wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Allerdings hat Tom Baril für sein zwischen 1993 und 1999 entstandenes New-York-Portfolio nicht das Word Trade Center oder verwandte Ikonen der Gegenwartsarchitektur abgelichtet, sondern das "alte" New York ins Visier genommen: das Chrysler Building, die Brücken, das gotisierende Woolworth-Building, Fabrikschlote an einer Straße. Interpretiert hat er diese Ansichten mittels Polaroid, vervielfältigt in der alten Technik der Photogravure, einem Verfahren, das den Aufnahmen einen malerischen Anstrich verleiht. Mit diesem Kunstwollen bewegt Baril sich bisweilen hart an der Grenze zum Kitsch.

Dem osteuropäischen Surrealismus verpflichtet sind die Stil- leben Josip Klaricas (1946), für die er Schafsköpfe, Melonen, Schweinsohren und dergleichen arrangiert. Gewöhnungsbedürftig, aber sehenswert. Ein Kontrapunkt zu so viel Stilisierung: die anthropologischen Reportagen des emigrierten Wieners Richard Erdoes. (IV., Brahmsplatz 7; bis 23. August).



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