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Mumok neu: Grundloses Wünschen

08.09.2011 | 18:24 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Es ist wieder einmal ernst mit dem Neuanfang im Museum der Neuanfänge: Nach drei Schließmonaten lädt das Mumok am Samstag zum Tag der offenen Tür. Die neue Direktorin Karola Kraus zeigt, wovon sie immer träumt.

Keine neue Direktorenschaft ohne neue Corporate Identity. Auch Karola Kraus lässt diese Möglichkeit nicht ungenützt, sie ging sogar so weit, den Aufsehern ein neues Gewand zu verpassen, entworfen vom österreichischen Modelabel „house of the very island's royal club division middlesex klassenkampf, but the question is: where are u, now?“ Ja, wo? Mittendrin im Traum aus Grau dieser spröden Schwarzwälder Kunstprinzessin aus der großen Sammlerfamilie, voll des Glücks und Danks vorgestellt bei einer Pressekonferenz am Donnerstag mit zartem Lispeln in der Stimme. Das neue Kunstkino von Heimo Zobernig und Michael Wallraff im Keller ist schön schwarz, die neuen Wächteruniformen sind schön grau und schwarz, das zarte Logo von Florian Pumhösl ist schön grau und unterstrichen – richtig, es ist wieder einmal ernst mit dem Neuanfang im Museum der Neuanfänge, dem schwierigsten aller Wiener Kunstinstitutionen, dem ewig nach seinem Profil suchenden, ewig mit dem Raum ringenden Moderne-Bunker im Museumsquartier.

 

Marxismus heute, gesponsert durch Dinner

Welche Botschaft das neue Logo denn vermitteln soll, wurde Kraus gefragt: „Klarheit, Funktionalität, Pragmatismus, Reduktion, Minimalismus“ kam die tugendhaft moderne Antwort ohne zu zögern. So fad ist ihre Einstandsausstellung dann aber doch nicht geworden. Kraus' „Museum der Wünsche“ entpuppt sich als flotte Neuaufstellung der Sammlung, durchbrochen von 37Werken, die das Mumok gern hätte: Silbergraue Schilder markieren diese Wünsche, goldene Schilder feiern die von Mäzenen bereits erfüllten. Ein rarer Anblick; die Ludwig-Stiftung hat ihre Einstandsgeschenke zwar bereits gemacht, auch die Gesellschaft der Freunde der bildenden Künste, und von den Einnahmen des exklusiven Charity-Dinners gestern Abend konnte u.a. gerade Phil Collins Film „Marxism Today“ gekauft werden – ein Treppenwitz der Kunstsociety.

Sonst werden aber noch dringend potente Feen gesucht: für einen wunderbaren, fast surrealistischen Pappmaschee-Hutturm von Franz West, einen der schlechtesten Witze, den Richard Prince sich in seiner Malerei je angeeignet hat oder drei nostalgische Hula-Hoop-Reifen von Marzena Nowak inklusive Kaugummileiche um 6000Euro. Kraus' Luxuswunsch aber ist ein weitgehend unauffälliges abstraktes Bild von Blinky Palermo – hier sprechen wir von satten drei Millionen Euro. Jetzt aber bloß keine Panik unter Puristen, sie sind bei Kraus in guten Händen – die Preise sind natürlich nicht angeschrieben.

 

Böse, böse Kunstmafia?

Genauso wenig wie die Gründe der „Wünsche“: Warum das Archiv des „Museums in Progress“ in eine Wiener Sammlung gehört oder Stephen Prinas rosarote Hommage auf den Wiener Moderne-Architekten Rudolph Schindler ist recht klar. Auch die Ergänzungen des Schwerpunkts auf Kunst aus dem ehemaligen Ostblock. Aber warum noch ein Bild von Albert Oehlen? Warum eines von Kraus' Jugendfreund Martin Kippenberger? Doch bevor man jetzt gleich, und oft zu Recht, böse, böse Kunstmafia denkt – es gibt tatsächlich keinen Kippenberger in der Mumok-Sammlung. Das ist der eigentliche Skandal.

Hinter jedem Wunsch verbirgt sich eine solche Lücke bzw. Geschichte, die man allerdings erst erfragen muss: Diese Fotos der Otto-Muehl-Aktionen etwa, haben wir sie nicht schon tausende Male gesehen? Sicher nicht und sicher viel kleiner. Während Brus und Nitsch dem Mumok „unglaublich großzügig“ erlaubt haben, ihre Negative zu scannen und große Abzüge zu machen, sei Muehl weniger entgegenkommend, so Aktionismus-Expertin Eva Badura-Triska. Seine Negative landeten im Getty-Museum Los Angeles. Die drei jetzt in Wien zum Kauf stehenden Mappen sind also traurige Pflicht fürs Mumok.

Wie viele Wünsche letztendlich auch in Erfüllung gehen – was bleibt, ist eine überraschend frische Sicht auf eine bekannte Sammlung. Besonders effektvoll sind schlichte Räume wie auf Ebene drei, wo die Vielfalt des Monochromen zelebriert wird: Auf ein samtenes Blau Yves Kleins antworten ein graues „Thinking Blue“ von Brice Marden, eine „blaue Kurve“ von Ellsworth Kelly und ein rot-rotes Kreuz von Ad Reinhardt. So luftig gehängt wirkt das Mumok groß wie nie.

Ein Raumgefühl, das sich schon im Foyer bemerkbar macht: Eine tragende Wand wurde weggerissen – und voilà, erstmals ist Platz für ein richtiges Museumscafé mit optischer Verbindung zur Halle und toller Romantik-Wandtapete von Cindy Sherman. Die Lampen sind von Franz West, ebenso eine rosa gekringelte Garderobenleiste. Und im Shop darunter gibt's nicht mehr die von Kraus' Vorgänger Edelbert Köb entworfenen goldenen und silbernen Notizblöcke, sondern, erraten, ganz pragmatische, in Grau-Schwarz.

Neue Zeiten: Mo 14 bis 19Uhr, Di bis So 10 bis 19Uhr, Do 10 bis 21Uhr.


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